Tränen für Susanna

by Kristin Schmidt

Lucie Schenker, Hugo Borner und Bruno Steiger bespielen die Galerie Susanna Kulli. «thank you» ist die letzte Ausstellung in den Galerieräumen an der Davidstrasse vor dem Umzug nach Zürich.

Ein Wölkchen schwebt durch den Raum, federleicht und rosa, gerade so, als würde es eben noch vom Licht der untergehenden Sonne angestrahlt, um sich dann vollständig aufzulösen oder im Dunkel zu verschwinden. Damit hat Lucie Schenker ein unaufdringliches und doch treffendes Symbol für den Abschied gefunden, den die Ausstellung «thank you» bedeutet. Sie ist die letzte Präsentation in den St. Galler Räumen der Galerie Susanna Kulli vor dem Aufbruch nach Zürich. Visualisiert wird dieses «Dankesehr» von drei St. Gallern: Neben Lucie Schenker sind Hugo Borner und Bruno Steiger mit aktuellen Werken vertreten.

Indem Susanna Kulli drei Künstler gleichzeitig präsentiert, holt sie ein letztes Mal auch die grösstmögliche Vielfalt in ihre Räume im Lagerhaus. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den verwendeten Materialien und Techniken. Hinter Lucie Schenkers Polyethylenwölkchen «En Rose» hängt eine kleine Serie von neun Zeichnungen. Auf ganz andere Weise widmet sich die 1943 in Oberbüren geborene St. Gallerin hier einem ähnlichen Thema wie mit «En Rose»: der Präsenz fragil erscheinender und dennoch voluminöser Gebilde. In Grau, Rosa oder Orange füllen amöbenhafte Flächen die nur postkartengrossen Blätter. Obgleich sie aus feinen Linien zusammengesetzt und beinahe ebenso durchscheinend sind wie ihre im Raum schwebende Verwandte, wirken sie doch auf ihre Weise monumental, indem sie selbstbewusst das ganze Format besetzen. Auch Bruno Steiger zeigt formatfüllende Arbeiten auf Papier, doch der Kontrast zwischen seiner Zeichnungsserie und derjenigen Schenkers könnte kaum grösser sein. Der 48-Jährige zeichnet das Papier mit Grafit zu, bis es kaum mehr zu sehen ist. Die noch vor kurzem von manchen Kunstlehrern verwendete Faustformel, das Bild sei desto besser, desto schwärzer es ist, würde hier besondere Bedeutung erlangen. Die Zeichnungen sind so schwarz, dass sie nicht länger als Zeichnungen erkennbar sind. Sondern aus dem obsessiven Umgang mit dem Material entstehen geschlossene metallisch glänzende Oberflächen. Dabei drückt sich der bewusst gewählte, strukturierte Untergrund ins Blatt. Beides gemeinsam lässt die Arbeiten wie aus Blech gehämmerte Reliefs wirken. Zartere Töne zeigt Steiger in «Grosse Schrift». Man ist versucht, das Hingeschriebene zu lesen, aber die Zeichen bleiben unlesbar, mehr oszillierender Teppich aus Linien als Text.

Dies rückt das Werk in die Nähe der Fotografien Hugo Borners. Auch dessen Bilder verschwimmen vor den Augen. Kein Detail ist lesbar, und wenn auch die Bildtitel Hinweise geben wie «TV», «Wolken» oder «Güterwagen», so könnte doch fast alles überall und alles sein. Der 1962 in Luzern geborene und in St. Gallen lebende Künstler richtet seine Aufmerksamkeit auf Dinge und Orte, die aber in den Aufnahmen nicht mehr konkret wahrnehmbar sind. Oder es nie waren, denn ebenso, wie sich Wolken stets verändern, ist das Fernsehbild permanent in Bewegung. Und selbst die Güterwagen sind dazu gemacht, auf Reisen zu gehen, und entziehen sich somit dem statischen Auge. Für eine Galerie hingegen ist eine Reise nicht unbedingt typisch, doch Susanna Kulli hat in der Vergangenheit mehr als einmal die Galerieadresse gewechselt und ist nun wieder auf dem Weg zu einem neuen Quartier. Wie sich dies jeweils für den verlassenen Ort anfühlen mag, davon vermittelt Bruno Steiger eine Ahnung mit seinem Video «Tränen für Susanna». Es rinnt und rieselt, perlt und tropft. Das Regentief scheint endlos. Tröstlicher ist da Lucie Schenkers Wolke, denn vielleicht kommt die Farbe doch vom Morgen- statt vom Abendrot, wer weiss?