Betörend und verstörend

by Kristin Schmidt

Auf den ersten Blick scheinen Julia Bornefelds Objekte und Bilder in der Galerie Hafner  rein ornamental. Doch auf den zweiten wirken die Arbeiten der Künstlerin dann auf subtile Weise unheimlich.

Fünfzehn Jahre lang arbeitete Julia Bornefeld ausschliesslich mit Schwarz und Weiss. Ob Objekte aus Federn, Nessel oder Schirmskeletten, riesenhafte Installationen oder Bilder mit Kohlenstaub, Grafitpulver, Acryllack und Öl – die 1963 geborene und in Kiel und Bruneck lebende Künstlerin verzichtete in ihren Werken auf jegliche Farbe. Düster, aber dennoch leicht und fragil muteten sie an. Geheimnisvoll wirkten sie, besassen aber stets grosse formale Klarheit.

An Letzterem hat sich bis heute nichts geändert, aber in farblicher Hinsicht setzen Bornefelds jüngste Arbeiten, derzeit ausgestellt in der Galerie Paul Hafner, neue Akzente. Zu den beiden Nichtfarben hinzugekommen ist ein Ton, der sich als Hautfarbe beschreiben liesse. Der Körper, vertreten durch sein Inkarnat, hat in Bornefelds Arbeiten Einzug gehalten. Das geht einher mit der Verwendung eines völlig neuen Arbeitsmaterials: Strumpfhosenstoff.

Den Galerieraum dominieren zwei Drahtballons, beide bezogen mit dem dünnen, durchsichtigen Gewebe. Der eine, kleinere, ist vollständig vom Material umgeben, dem anderen, grösseren, ist die Aussenhaut teilweise vom Skelett gerutscht, schlaff hängt die zu grosse Hülle herab. Verbunden sind die beiden durch ein dickes schlauchartiges Gebilde. Sehr schnell lässt sich ein konkreter körperlicher Bezug herstellen: Wir sehen Mutter und Kind vereint durch die Nabelschnur. Julia Bornefeld interessiert feminine Ästhetik ebenso sehr wie die grundlegenden Leben spendenden Prozesse und ihr allererster Ausgangspunkt: die erotischen Verlockungen des ewig Weiblichen. In der Verwendung von Strumpfhosenstoff hat sie ein Material gefunden, das Weiblichkeit repräsentiert und dabei in seiner Zartheit und Transparenz einerseits verführerisch, andererseits in seinem offensichtlichen Versuch, Haut nachzuahmen, auch abstossend wirken kann. Denn es sind nicht die seidig schimmernden Kreationen aktueller Strumpfdesigner aus dem nahen Bregenz, die Bornefeld verwendet, sondern eher grobes Material, wie es wahrscheinlich nur noch in abgelegenen, nicht dem neuesten Trend verpflichteten Geschäften zu haben ist und wie es für eine Zeit steht, in der Erotik für die Mehrheit noch mit dem Bann des Unanständigen belegt war.

Hier kommt also ein seltsamer Bruch in den Werken der Künstlerin zustande. So zu sehen beispielsweise in der Arbeit, bei der ein trichterförmiges, mit der Spitze an der Wand befestigtes Eisengestell so mit Strumpfhosenstoff bezogen ist, dass sich kleeblattförmige Öffnungen ergeben, die jedoch in der Frontalansicht wieder wie mit einer Epidermis verschlossen werden. Hier wird offenbart und doch verhüllt, hier kontrastiert Spannung und Kraft mit fragilem Material. Gleiches gilt für die auf einen Eisenring gezogenen fünf Strumpfhosen. Obwohl komplett in Schwarz gehalten, setzt sich auch hier das Oszillieren zwischen schönen und unheimlich wirkenden Aspekten fort. Zwar wirkt die Arbeit auf den ersten Blick rein ornamental, doch auf den zweiten auch subtil unheimlich. Denn schliesslich sind es Strumpfhosen, die da gedehnt, gezwängt, über das Eisen gezogen und gebunden werden, und damit bewahrt sich die Arbeit den Bezug auf den Körper, auch wenn die Zeiten, in denen Menschen gerädert wurden hunderte von Jahren zurückliegen. Die Ambivalenz ihrer dreidimensionalen Werke setzt sich in Bornefelds Gemälden fort. Blüten, Muscheln und Unterhosen evozieren nicht zuletzt mit Hilfe sparsam eingesetzten Inkarnats auch hier Weibliches. Als Symbole für Geschlecht und Geschlechtliches lässt die Künstlerin sie mit Hilfe gekonnt eingesetzter weisser Farbe geheimnisvoll leuchten. Doch die Formen sind nicht zart und verletzlich, sondern beherrschen monumental jeweils das gesamte Bild. Sie entfalten eine Präsenz, die zugleich betört und verstört. Der Sprung in die Farbe hat den Werken von Julia Bornefeld nicht geschadet, im Gegenteil, ihre Arbeiten sind um eine spannende Facette reicher.