Geknüll und Geröll

by Kristin Schmidt

Wie eine Biene fügt Daniel Zimmermann Wabe an Wabe. Die jüngsten Bilder des Zürcher Künstlers sind zurzeit in der Galerie Wilma Lock ausgestellt.

Die Visualisierung der Zeit wurde oft versucht und scheiterte ebenso oft. Auch Daniel Zimmermann reizt die so genannte vierte Dimension, aber der 1958 geborene Maler will sogar noch mehr. Er widmet sein Gemälde gleich der Quadratur der Dimensionen und fasst obendrein alle Elemente seines aktuellen Schaffens damit zusammen. Auf der dreigeteilten Leinwand fügen sich drei Flächen zu einem Raum, in dem sowohl seine erst vor kurzem entwickelten Wabenstrukturen Platz finden wie auch einer seiner «Knüller». So nennt er die seit 1996 entstehenden Zeichnungen von zusammengeknülltem Papier. In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Wilma Lock sind 15 dieser Blätter zu sehen und damit dennoch nur ein kleiner Teil der Serie ohne Ende.

Was zunächst kaum mehr zu sein scheint als akribische Objektstudien eines akademisch geschulten Künstlers, entpuppt sich schnell als Spiel mit unendlichen Flächen. Geballt, gefaltet, zerknüllt, verzwickt – der schnelle Griff ins Papier liess variantenreiche Landschaften entstehen, die trotz der gekonnten zeichnerischen Wiedergabe nicht entschlüsselbar sind. Statt Origami dient das weisse Blatt unterhaltsamer Chaosforschung und entwickelt dabei grosses Potenzial, denn Zimmermann träumt bereits davon, das abgemalte Papiergeknüll zurück in die Dreidimensionalität zu übersetzen. Die nummerierten Flächen eines wieder geglätteten «Knüllers» wären dann der Bauplan für eine Universalskulptur. Was laut Ausstellungstitel mit viel Understatement als «Virtuelles Geröll» daherkommt, hat also grosse Potenziale. Das gilt auch für die Gemälde mit dicht gedrängten vieleckigen Formen. Die zunächst monoton scheinende, mosaikartige Oberfläche belebt sich, schwingt vor und zurück, offenbart sich als sorgfältig austariertes Gefüge mit Richtungsströmen und sogar gegenständlichen Bezügen. Der Künstler betätigte sich bienengleich im Wabenbau und erdachte sich ein kompliziertes Regelwerk für die Farb- und Formgebung: Hier ruht auch im grössten Durcheinander eine verborgene Ordnung.