Arsenal der Chiffren

by Kristin Schmidt

Wo andere in die Ferne schweifen, liegt für Stefan Vollenweider das Sehenswerte doch so nah. Unterwegs «mit dem Panoramawanderstab» – wie er seine aktuelle Ausstellung in der IG, Halle Rapperswil (Kulturzentrum Alte Fabrik) nennt – blickt er nicht etwa zu entlegenen Gipfeln, sondern auf das, was ihm direkt vor die Nase oder die Füsse kommt.

Plastiktrinkbecher und Käsewachs, Ziegelsteine in einer Aktentasche, ein Architekturmodell oder eine weggeworfene Gummimatte, Backwaren jenseits des Verfalldatums, Plastikverpackungen und Arbeitsmaterialien des Zeichners – ebenso dies und das ordnet er in einer garagenähnlichen Box zu einem geheimnisvollen Archiv des Alltags. Wer eintritt, fühlt sich schnell wie ein Voyeur, der Intimes beäugt, das sich ihm nicht erschliesst und gerade deshalb die Neugier provoziert. Alle Entschlüsselungsversuche laufen ins Leere. Der Rapperswiler Vollenweider, 1950 in Kaltbrunn geboren, ist ein Spurensucher und Sammler. Mit der Akribie eines Archäologen bewahrt und sortiert er, um die Fundstücke einem breiten, an der Erkenntnis der Welt interessierten Publikum sichtbar zu machen. Was in dem Verschlag in der Dreidimensionalität funktioniert, übersetzt der Künstler mühelos und beinahe noch faszinierender in zwei Ebenen. Über Hundert Zeichnungen zeigen mehr oder weniger verschlüsselte Dinge, denen nur auf den ersten Blick der Charakter des Beiläufigen anhaftet. Auf den zweiten taucht der Betrachter ein in einen bewusst gestalteten Kosmos, ein Arsenal der Chiffren des zeitgenössischen Lebens. Auch hier bleibt vieles undeutbar, doch wie im begehbaren Magazin weckt gerade das die Wissbegierde und den Entdeckerinstinkt des Betrachters.