Farbtraum – Traumlicht

by Kristin Schmidt

Das Berliner Duo Jochen Stenschke und Susanne Windelen ist die erste Doppelausstellung zweier zeitgenössischer Künstler im Museum Liner in Appenzell. Sie lebt von Kontrasten und Berührungspunkten.

Ungewöhnliche Materialien und Gegenstände verwandeln das Museum Liner in Appenzell zu einem Labor zweier Künstler, die auf den ersten Blick vor allem eines gemeinsam haben: die Vorliebe für überraschende Kombinationen und den sehr experimentellen Umgang mit vorgefundenen Dingen. Obgleich der in der Fläche arbeitende Jochen Stenschke und die Bildhauerin Susanne Windelen, beide Jahrgang 1959, unterschiedlichste Medien verwenden, vereint sie die Neugier auf die Aussagekraft des Fremdartigen.

Stenschkes Bilder etwa wirken wie Aquarelle mit mal sattem, mal lasiertem Farbauftrag. Doch bereits der Geruch im Raum führt auf eine andere Fährte: Es schmeckt ölig wie beim Pommes-frites-Stand auf dem Jahrmarkt. Und tatsächlich sind die vermeintlichen Aquarelle mit Altöl gemalt. Schwarze Schlieren ziehen sich über das Papier. Dunkle Flecken beherrschen kleine Formate. Aber die vom Künstler aufgetragene Materie entfaltet eine effektvolle Eigendynamik: Das Fett wird vom Papier mehr und mehr aufgesogen, breitet sich aus und zaubert einen Kranz heller Töne wie eine nach aussen hin sich auflösende Aura um jedes Motiv. Den Bildern haftet zugleich etwas düster Geheimnisvolles oder Archaisches wie auch etwas Romantisches an. Im Kontrast zu diesen einfachen, monumentalen Formen steht die «Picknickecke», eine zwanzigteilige Serie fragiler Zeichnungen, die ausführlicher Betrachtung lohnt. Das Zusammenspiel unterschiedlichster mit leichter Hand hingeworfener Motive erinnert an Telefonkritzeleien ebenso wie an die automatisierten und von Träumen inspirierten Schreibspiele der Surrealisten.

Und hier gibt es nun doch eine weitere Gemeinsamkeit der beiden in Berlin wohnenden Künstler. Denn auch Susanne Windelens Arbeiten rufen in Erinnerung, was die Surrealisten zum Prinzip erhoben: die Allgewalt des Unbewussten. Nicht nur in der Arbeit «Traum» mit ihren schwebenden, weissen Amphoren finden sich derartige Anklänge. Auch die Arbeitstische unter von alten Lampenschirmen durchbrochenen Textilbahnen und die durch lange Schnüre verbundenen, überdimensionalen Stoffhände leben von der Faszination am Unerklärlichen, am Verborgenen und Verbotenen. Besonders gut zeigt sich dies an einer unter einem Holztisch hängenden Glühbirne: Schafft sie einen behaglichen Unterschlupf oder erhellt sie, was doch lieber unbeobachtet bleiben wollte? Der Zweideutigkeiten sind viele.