Fünf mal fünf mal viele

by Kristin Schmidt

Das Gastatelier des Sitterwerks beherbergte den Kölner Andreas Karl Schulze. Er hat eigens für den Raum eine minimalistisch-poetische Farbinstallation entwickelt. Heute lädt das Sitterwerk zum offenen Atelier beim Künstler ein.

Malerei kann so vieles sein und braucht doch so weniges. Das Werk von Andreas Karl Schulze ist dafür ein anschauliches Beispiel. Im Sitterwerk hat der Kölner Künstler das Gastatelier in einen Raum der leisen und doch markanten Töne verwandelt. Töne – das sind bei Schulze in erster Linie Farbnuancen, denen aber beim zweiten Hinsehen und Nachspüren etwas sehr Rhythmisches, Taktgebundenes anhaftet wie es sowohl die Musik als auch die Poesie auszeichnet.

Da sind etwa jene zwei Arbeiten, die vom Boden bis zum oberen Wandabschluss reichen: kleine, farbige Quadrate in klarer und doch lebendiger Reihung, links, rechts, grün, blau, rosa, violett, immer weiter hinauf oder hinunter. Mehr nicht, und doch so viel. Man ist sofort versucht, ein System zu entdecken. Das Auge spaziert an der Wand entlang, das Hirn aber findet kein Ordnungsprinzip und meldet statt dessen Freude an den Farbwechseln, den Farben selbst, an der Nonchalance und der Geradlinigkeit des Werks.

Seit 1993 arbeitet Andreas Karl Schulze mit den kleinen farbigen Quadraten – ein jedes mit einer Kantenlänge von genau fünf Zentimetern. Sie werden stets installativ verwendet, sind also raumgreifend und ortsbezogen. Der Ausgangspunkt ist jedoch pure Malerei: Ein auf einen Keilrahmen aufgezogener, fester Baumwollstoff (Segeltuch) wurde beidseitig in vielen Schichten mit einem monochromen Farbton bemalt. Der Künstler hat sich über die Zeit eine umfangreiche Skala erarbeitet, aus der er für die Arbeit im Sitterwerk zwölf Farben auswählte. In kleinen Kartonschachteln hatte er sie aus dem heimischen Kölner Studio mitgebracht; stapelweise angeordnet in eben jenen kleinen Quadraten. Denn nach dem eigentlichen Malakt verselbständigt sich die Malerei: Die monochromen Leinwände werden in hundert Teile zerschnitten, die sich wiederum in den Raum hinein ausbreiten. Dabei überlagern sich zwei Grundideen: eine folgt dem Prinzip des Zufalls, die andere ist bewusste Komposition.

Der deutsche Künstler hat immer einen Würfel im Gepäck, der bei vielen, wenn auch nicht allen Arbeiten die Farbwahl bestimmt. Die eigentliche Plazierung der räumlichen Interventionen jedoch erfolgt durchdacht und wird ausserordentlich präzis umgesetzt. Neben den beiden wandhohen Farblinien fallen beispielsweise zwei Quadrate über einem scheinbar beiläufig positionierten Hocker auf – Rosa und Hellgrün über Rot.

Andreas Schulze bezieht sehr gern spezifische Objekte ein. Er aktiviert vorgefundene Dinge oder Situationen und überführt sie in ein dreidimensionales Bild. So ergeht es auch jener in den Raum hineinragenden Ecke, auf der nun ein kleines Türmchen aus Farbquadraten wächst und die zuvor kaum wahrgenommen wurde; oder den Stahlprofilen, die hinter dem Atelierhaus lagern und vom Doppel-T- zum Farbträger mutieren. Plötzlich sind sie da. Schulze sensibilisiert, macht aufmerksam auf Dinge, die so selbstverständlich sind, dass sie zuvor eigentlich unsichtbar waren.

Manchmal ist seine Arbeit auch beinahe nicht zu sehen: Nur an einem Bindfaden drehen sich im Windhauch der Vorbeigehenden winzige Papierschnipsel, deren kariertes Raster an bestimmten Stellen farbig gefüllt ist. In der Bewegung wechselt die Farbe wie auf der Winkerkelle eines Kondukteurs. Diese Mobiles sind eine Neuentwicklung, mit denen Andreas Karl Schulze erstmals in den Raum hineingeht. Gleichzeitig bringt das den spielerischen, humorvollen Aspekt des Ganzen auf den Punkt, oder in diesem Falle das Quadrat.