Farbe in der dritten Dimension

by Kristin Schmidt

Ursus A. Winiger und Elisabeth Kaufmann-Büchel präsentieren ihre Arbeiten in der aktuellen Ausstellung des Künstlerverbandes Visarte-Ost im Katharinen. Beide beschäftigen sich mit Farben und Flächen im Raum.

Zum sechsten und letzten Male präsentiert Visarte-Ost im Rahmen der Ausstellungsreihe «Visarte-Ost performs Visarte-Ost» zwei durch das Los bestimmte Künstler im Katharinen. Den Raum teilen sich diesmal Elisabeth Kaufmann-Büchel und Ursus A. Winiger. Beide zeigen je eine unabhängig voneinander entwickelte Arbeit. Dennoch wirken die Werke wie zwei in Form und Ausdruck verschiedene Thesen zu ein und demselben Themengebiet. Kaufmann und Winiger widmen sich der Farbe und Fläche im Raum und setzen dreidimensionale Körper in den Kontrast zu linearen Strukturen.

Die in Liechtenstein lebende Künstlerin, seit 1994 Mitglied im Visarte Berufsverband Visuelle Kunst, bewegt sich mit ihrer Malerei im Bereich des Ungegenständlichen und beschränkt sich dabei nicht auf das Tafelbild. Im Katharinen installierte sie zahlreiche Holzplatten in vielfältigen Farben und bewegt sich dabei im Spannungsbereich zwischen Skulptur, Relief und Gemälde. Die einzelnen Tafeln liegen in zwei Ebenen auf kleinen, von oben nicht sichtbaren Sockeln, und scheinen dadurch über dem Boden zu schweben. Dadurch und durch die unterschiedliche Tönung und Struktur verleiht Kaufmann ihrer Arbeit einen harmonischen Rhythmus. Reizvoll wirkt dabei das Spiel zwischen zufälligen Texturen wie der faserigen Oberfläche einer lasierten Pressspanplatte und bewusst erzeugten Strukturen, etwa bei den mit Streifen bemalten Teilen. Diese komplexe Gestaltungsidee wird von Kaufmann optisch durch die Kanten der einzelnen Elemente gerahmt. Sie wirken dunkler und geben dem Ganzen eine gliedernde Kontur. Den optischen Gegensatz dazu bildet die Arbeit Ursus A. Winigers. Denn sie wird wesentlich durch die weissen Konturen dominiert. Der seit 1967 freischaffend tätige Rapperswiler Künstler, der seit 1971 mit über vierzig Arbeiten eine beeindruckende Werkanzahl für Kunst am Bau im Kanton St. Gallen geschaffen hat, zeigt im Katharinen einen freistehenden, vierseitigen Holzpfeiler. Die Aussenhaut wird durch einzelne Leisten gebildet, die nur an jeweils einer Seite farbig bemalt sind. Zwischenräume und Seiten sowie die abgeschrägten Kanten sind weiss gestrichen.

Winiger entwickelte aus dem Kanon der Grundfarben heraus ein System, dass sich in seiner Gesamtheit erst im Umschreiten der Arbeit erschliesst. Benachbarte Farben gehen ineinander über, Kontraste werden geschaffen und teilweise scheinen die Töne in den weissen Zwischenräumen der Balken zu verschwinden. Der Betrachter wandert von Blau zu Grün, von da zu Rot und Gelb, kommt zu einer Seite, die alle Farben vereint, und schliesslich dorthin, wo alle Farben in Weiss gebrochen und von Schwarz überdeckt werden. Nie sind mehr als zwei Seiten sichtbar, was geradezu zur Bewegung herausfordert.

Während Kaufmanns Werk durch die sonoren, intuitiv gesetzten Töne einen angenehmen Wohlklang erzeugt, der das Auge fesselt und die Gedanken anregt, konfrontiert uns Winiger mit einem eher wissenschaftlich orientierten Zugang zur Farbe. Ähnlich den Vertretern der konstruktiven Kunst, versucht Winiger Farbe und Formen auf der Grundlage wissenschaftlicher Recherche zu systematisieren und malerisch umzusetzen. Dass das Ergebnis dabei allzu exakt und trocken wirkt ,vermeidet er teilweise durch den bewussten Einsatz der natürlichen Unregelmässigkeiten des Holzes. Zwar fällt es Winigers streng analytischen Herangehensweise im Vergleich zur lebendig und ausdruckstark wirkenden Arbeit Kaufmanns schwerer zu überzeugen, dennoch ergänzen sich beide Positionen gerade in der Zusammenschau im Katharinen auf sehenswerte Art und Weise.