Staubsauger im Nahkampf

by Kristin Schmidt

Fragiles und Flauschiges präsentiert Michael Kienzer in der Ausstellung «oben – unten – von – bis – dahinter – davor» bei Paul Hafner.

Michael Kienzer hat einen roten Teppich ausgerollt. Dennoch fühlt sich kaum wie ein König, wer die Galerie betritt, denn der banal gemusterte Läufer passt eher in ein Mietshaus als unter die Sohlen gekrönter Häupter. Ausserdem endet er weder an einer Gangway noch vor den Stufen eines Palastes, sondern ist zu einem riesigen Knäuel aufgewickelt, das jedes Weiterschreiten verunmöglicht. Kaum ist man sich der Absurdität der Situation bewusst geworden, fordern zwei in sich verschlungene Staubsauger nervenzehrend Aufmerksamkeit. An einen Bewegungsmelder gekoppelt, saugen sich die beiden Maschinen gegenseitig aus. Dem einen mag dies als unentwirrbarer Nahkampf vorkommen, den anderen erinnert es an den intimen Austausch von Körpersäften, doch immer ist es der neugierig sich nähernde Betrachter, der die geräuschvolle Aktion der Geräte auslöst, ein Umstand, den Kienzer mit dem Titel «Autonome Skulptur» ironisiert. Eher ungewollt dagegen ist die Ironie der Arbeit «KW 6075 KHZ», eines mit einem endlos langen Kabel vollständig umwickelten Radios, das auf der genannten Frequenz einen internationalen deutschen Sender empfangen sollte, sich aber hier in einem Sendeloch befindet.

Kienzer erweist sich als Virtuose im Umgang mit dem Alltäglichen, Banalen. Allerdings ist der 1962 in Steyr geborene, heute in Wien lebende Künstler keiner, der auf den Spuren des Dadaismus Gebrauchsgegenstände zu Kunst verarbeitet und damit die Grenzen zwischen Kunst und Leben niederreisst. Trotz des profanen Materials wahren die Werke Distanz zum Betrachter. Die unscheinbarsten Dinge wirken plötzlich edel, unnahbar. So verführen die «Teppichzeichnungen» zum Berühren ihrer Oberfläche, gleichzeitig erscheinen sie als Ehrfurcht gebietende Resultate künstlerischer Konzentration. Wie es der Titel verheisst, basieren die Zeichnungen auf handelsüblicher Auslegware. Mit festem Tritt oder Staubsaugerschwüngen wurden die dichten Fasern gekrümmt, verbogen, gepresst. Je nach Lichteinfall zeigt sich die beredte Geschichte dieser Läufer in Form kalligraphisch anmutender Zeichen. Fixiert mit einer Leimlösung, bleiben die kühnen Gesten sogar der Nachwelt erhalten. Kienzer hat das Tafelbild in eine neue, flauschige Qualität überführt und sein Potenzial als Medium expressiven Ausdrucks bewahrt.

Obwohl manche der Arbeiten ihre Dreidimensionalität zunächst verbergen, ist stets spürbar, dass Kienzer ein Bildhauer ist. Seine Arbeiten greifen in den Raum hinein und sind als Volumina wahrnehmbar. Dies gilt auch für die Glasbilder, die aus mehreren über-einander geleimten Glasplatten bestehen und dadurch kaum noch transparent oder zerbrechlich sind. Zwischen den Scheiben warnen Klebebänder «Vorsicht, nicht werfen» oder «Fragile», hinterliess Silikon transparente Zeichnungen oder fordern eingravierte Buchstaben auf, Worte zu entziffern. Kienzer fordert aufmerksame Betrachter. Der erste Blick erschliesst die optischen Reize der vielseitigen Werke, aber erst beim zweiten offenbaren sich die ihnen zugrunde liegenden Gedankenspielereien, Gestaltungsideen und die Ironie.