Tausendfach essbarer Big Apple

by Kristin Schmidt

Die zwischen «sweet and sour», zwischen Cafés und Fleischmarkt angesiedelten Fotografien von Andreas Hilty laden in Buch und Ausstellung zu einer Reise in die Welt der New Yorker Gaumenfreuden. Wahrlich ein Augenschmaus !

Eine Ausstellung wird meist von einem Katalog begleitet. Im Falle der aktuellen Ausstellung in der Galerie Paul Hafner jedoch ist das Gegenteil der Fall: Die Präsentation der Fotografien von Andreas Hilty unter dem Titel «New York – sweet and sour» begleitet den gleichnamigen Bildband. Alle ausgestellten Arbeiten wurden als Aufnahmen für das Buch konzipiert und stellen auch nur einen kleinen Teil aus der Fülle der dort abgebildeten Werke dar. Aber selbst diese Vielzahl ist wieder nur ein kleiner Ausschnitt des gesamten Projektes, für das Andreas Hilty sich vor zweieinhalb Jahren auf den Weg nach New York machte. Sein Ziel: die kulinarische Welt der Millionenmetropole mit ihren Tausenden von Restaurants, Schnellimbissen, Bars, Cafés und Lebensmittelmärkten.
Zwei Monate lang recherchierte Hilty, um die über 800 potenziell für sein Projekt interessanten Lokalitäten auf eine zu bewältigende Anzahl zu begrenzen und dennoch eine grosse Vielfalt an Eindrücken einfangen zu können. So stehen nun Aufnahmen eines rund um die Uhr geöffneten Schnellrestaurants neben Bildern der typischen New Yorker Austerbars, der Fischmarkt neben einem klassischen Steakhaus und ein orientalisch anmutendes Bistro neben dem Szenetreff. Aufwendig dekorierte Etablissements für den luxusverwöhnten Grossstädter sind ebenso abgelichtet wie die gemütliche Dachgartenbeiz für ein Tête-à-Tête.

Andreas Hilty kam nicht von ungefähr zu seiner Projektidee. Der gebürtige St. Galler, Jahrgang 1951, arbeitete viele Jahre als Werbefotograf für die Gastronomie. Doch mit den damaligen kommerziellen Aufgaben hat «New York – sweet and sour» nur das Thema gemein. Während er als Agenturfotograf darauf achten musste, dass kein Aschenbecher und kein schräg gestellter Stuhl das Bild verderben, sind gerade dies die Momente, von denen die freien Arbeiten leben. Hilty folgt zwar auch hier der klassischen Restaurantfotografie mit Frontalansichten und unbelebten Interieurs, aber das warme Licht, die aufmerksam beobachtete Atmosphäre und die spürbare Spannung vor dem Eintreffen der Gäste verraten das anders gelagerte Interesse des konzeptionell arbeitenden Fotografen. Oft beschränkt sich Hilty nicht auf eine Aufnahme pro Ort, sondern kombiniert Aussen- und Innen-, Gross- und Detailansichten. Letztere versteht er zwar als eine Art Bildlegende, dennoch können sie ein beeindruckendes Eigenleben entwickeln, wie etwa die Nahaufnahme eines dunkel gebratenen Steaks, das einen Schnitt in sein rosafarbenes Inneres fast wie ein Wundmal zu präsentieren scheint.

Aber auch die Aussenansichten faszinieren in Bildidee und Aufnahmetechnik. Der nur in den Nachmitternachtsstunden bis zum ganz frühen Morgen geöffnete Fulton Fish Market stellte Hilty vor das Problem, dass beim ersten, nächtlichen Besuch der schwarze Himmel nichts von der Umgebung des Marktes sehen liess. Doch das Bemerkenswerte dieses Ortes ist nun einmal, dass sich das geschäftige Treiben nicht in irgendeinem Hafenstädtchen, sondern vor der Kulisse von Wolkenkratzern abspielt. In der kurzen Zeit zwischen Nacht und Dämmerung ist schliesslich ein in vieler Hinsicht kontrastreiches Foto entstanden, das zu den besten der Ausstellung gehört. Sehenswert ist auch die Präsentation der Arbeiten in der Galerie Paul Hafner. Zu Paaren oder Dreierreihen gruppiert, ergibt sich nicht nur eine logische Abfolge, sondern auch ein optisch stimmiges Gesamtbild.