Kirschensteine und Latexlingerie

by Kristin Schmidt

Das Zürcher Museum für Gestaltung zeigt die Arbeiten der Preisträger des Eidgenössischen Wettbewerbs für Design. Das Spektrum reicht von Modeentwürfen bis zu Computeranwendungen.

In der Schweiz kann an sieben Fachhochschulen Design studiert werden, in Fachrichtungen wie Visuelle Kommunikation und Gestaltung, Industriedesign, Textil- und Modedesign oder Innenarchitektur. Allerdings gehört die starre Aufteilung in Sparten der Vergangenheit an. Immer mehr wird fächerübergreifend gearbeitet.

Dem trägt seit diesem Jahr auch der Eidgenössische Wettbewerb für Design Rechnung. Statt wie bisher in neun Bereiche aufgeteilt, wurde erstmals nach Produktionsbedingungen unterschieden, das heisst zwischen Unikaten oder Kleinserien und solchen Arbeiten, die nach einem vorgegebenen oder selbst entwickelten Ziel realisiert und seriell produziert werden.

Dennoch hat die Ausstellung der 24 prämierten Projekte im Museum für Gestaltung in Zürich unter dem Titel «Swiss Design 2002: Netzwerke» ihre zwei Schwerpunkte: Visuelle Kommunikation und Modearbeiten. Letztere reichen von sofort Tragbarem wie den von den Bernerinnen Maja Abplanalp und Maria Pia Amabile entwickelten Handschuhen, Nackenwärmern und Nierengurten mit wärmespeicherndem Kirschensteininnenleben bis hin zu Experimentellem von Rachel Imboden aus Lausanne mit ihrem zwischen Hosenbeinen gespannten Tornetz für den Strassenfussball. Einen weiteren Akzent setzen die Latexdessous des Zürchers Daniel Hermann. Nach intensivem Studium der in St. Galler Archiven aufbewahrten Spitzenkreationen verband er die traditionellen Formen mit zeitgenössischen Materialien. In einem eigens entwickelten Verfahren werden die Spitzen in Latex gegossen. Das Biedermeierliche erhält Fetischcharakter und bleibt dennoch elegant. Die Bernerin Sandra Lemp hingegen setzt auf Unfertiges. Statt perfekt gestalteter Mode bietet sie Kleidungsstücke mit unvernähten Säumen zum individuellen Anpassen oder auch für den in den Neunzigern etablierten Schmuddellook. Jüngste Technik erwartet den Konsumenten beim «Dresscode 0.55» des Baslers Raphael Perret. Er übersetzt die von Menschen in einem virtuellen Raum hinterlassenen Spuren in vom Computer berechnete Stoffmuster und liefert damit ebenso ein Beispiel für fächerübergreifendes Arbeiten wie der einzige St. Galler Preisträger, Christoph Zellweger, mit seinen «Fremd-Körpern». Diese eigentümlichen und nur bedingt tragbaren Schmuckkreationen aus organisch geformten Edelstahlteilen und nachträglich bearbeiteten künstlichen Hüftgelenken leiten sich aus Formen und Materialien der Prothesentechnik ab. Sie strahlen die Perfektion der auf den reinen Gebrauch hin entwickelten Gestaltung aus.

Zellweger gehört zu den Preisträgern, die statt eines Geldbetrages einen Praktikumsplatz für sechs Monate annehmen. Das Interesse an interdisziplinärer Arbeit ist aber ein Aspekt der neu geschaffenen Praktikumspreise. Zum andern orientiert sich das Bundesamt für Kultur mit dieser praxisnahen Förderung junger Designer an dem steigenden Bedürfnis nach Kontakten in der Arbeitswelt. Dafür hat man mit der Präsentation ein schönes Bild gefunden, indem die gesamte Halle des Museums für Gestaltung in ein Stadion verwandelt wurde.