Bettaffären, Traumgespinste

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum Luzern verführt in eine andere Welt – eine nur vermeintlich alltägliche. «Another World» zeigt Kunst am Bett, samt schweren Träumen.

Es ist, was es ist. In gebrochenem Weiss steht es da, unschuldig, wären da nicht die Flecken auf dem Stoffbezug: Ein Bett. Oder etwa nicht? Wie René Magrittes Pfeife keine Pfeife war, ist dieses Bett kein Bett, sondern eines der subtilen Objekte des Amerikaners Robert Gober, die beim Betrachter selbst erlebte oder imaginierte Empfindungen evozieren.

Traum, Ekstase, Angst, Lust, Einsamkeit, Krankheit: Das Bett ist bei weitem nicht nur Schlafstätte. Das Bett ist Ort der Rekreation ebenso wie der Liebe und des Sterbens. Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir zwischen Laken, Decke und Kissen. Es verwundert also nicht, dass das Bett auch in der Kunst auf eine lange Geschichte zurückblickt. Ihren jüngsten Abschnitt, der zugleich der interessanteste, weil in Form, Material und Inhalt vielfältigste sein dürfte, zeigt die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Luzern. In «Another World» erzählen zwölf international renommierte Künstler «Zwölf Bettgeschichten». Was im Untertitel kokett, beinahe trivial daherkommt, erweist sich schnell als tiefgründige Auseinandersetzung mit dem facettenreichen Motiv.

Einen Schwerpunkt bilden die Werke von Louise Bourgeois, der grossen Einzelgängerin des 20. Jahrhunderts, die mit ihren 91 Jahren noch immer unermüdlich tätig ist. Ihre Themen sind zeitlos und berühren die Grundfragen des Menschseins. Komplizierten Mutter-Vater-Kind-Verhältnissen, der Sexualität, Partnerschaft und den dazu gehörenden Sehnsüchten, Ängsten, Leiden und Zwängen verleiht sie in fragilen Zeichnungen wie in raumgreifenden Inszenierungen Ausdruck – und es verwundert nicht, dass dabei das Bett eine zentrale Rolle spielt. Viel weniger das Bett als der eigene nackte Körper beherrschte die Arbeiten von Hannah Wilke. Auch als sie in den 90er-Jahren an Krebs erkrankt, ändert sich daran nichts, und so entstehen in den letzten Lebensmonaten der Künstlerin bedrückende, irritierende und doch nicht hoffnungslose Selbstportraits inmitten weisser Bettbezüge. Anknüpfend an diese Fotografien wagt Peter Fischer in seiner ersten grossen Konzeptausstellung als Leiter des Hauses ein Experiment und stellt Wilke Ferdinand Hodler gegenüber. Die Bilder der sterbenden Lebensgefährtin des Malers beleuchten zwar keinen zusätzlichen Aspekt, bereichern aber die Präsentation als historischer und trotzdem heute noch gültiger Kommentar.

Thematische Ausstellungen müssen sich stets gegen den Vorwurf der kuratorischen Willkür wehren. Dass jedoch gerade die Zusammenstellung unterschiedlichster Werke bereichernd wirken kann, weil sie neue Sichtweisen eröffnet, zeigt «Another World». Roman Signer etwa wird hier einmal nicht als der mit der Physik spielende Ereigniskünstler vorgestellt, stattdessen kommen die nachdenklichen Aspekte zum Tragen. «Bett» verführt sehr anschaulich zum Traum, verursacht durch den Flug eines Helikopters um ein Nachtschränkchen eine Sekunde vor dem Aufwachen, und reiht sich damit ein in weitere Arbeiten mit poetischen, aber auch melancholischen Tönen: Roni Horns von flatternden Schmetterlingen besetztes Bett, Pipilotti Rists wundersame Reise zu den Sternen, Ilona Némeths Klanginstallation zum Abliegen, David Reeds Schlafzimmerbild mit Videoausblick oder Chiharu Shiotas dichtes Fadengespinst. Die Aufzählung liesse sich fortsetzen: Statt einschläfernd zu wirken, sprechen die Werke im Kunstmuseum Luzern alle Sinne an.