Verbrämte Brutalität

by Kristin Schmidt

Gewalt ist beängstigende Realität. Wie kann die Kunst damit umgehen, ohne die Faszination von Gewalt zu zelebrieren? Diese Frage stellt das Museum Bellerive Zürich, in der aktuellen Ausstellung.

Gewaltbilder gehören längst zu unserem multimedialen Alltag. Sie erreichen uns in Fernsehdokumentationen aus Kriegsgebieten, aber auch in Spielfilmen oder Romanen: abstossende Bilder, denen wir uns dennoch kaum entziehen können oder wollen.
Zunehmend versuchen Künstlerinnen und Künstler, mit ihren Werken diese Ambivalenz, die Formen und Wirkungsweisen von Gewaltbildern zu ergründen. Der erste Blickfang im Zürcher Museum Bellerive, das in seiner aktuellen Ausstellung neun Werke zum Thema «Gewalt in der Gegenwartskunst» präsentiert, ist allerdings kein Kunstwerk. Maik Bischoff aus Zürich zeigt eine Sammlung von über hundert Spielzeugpistolen. Sie können von den Besuchern benutzt werden und regen im Kontext der Ausstellung die Diskussion über den Einfluss von Kriegsspielen auf die kindliche Psyche an. Ähnlich die Fotoserie «Guns» des Franzosen Yves Trémorin: Aus dem Dunkel scheinen effektvoll beleuchtete Teile verzierter Waffen auf, nur dass es sich bei diesen Preziosen auch um billige Spielzeugwaffen handelt.

Beeindruckend die Arbeit der Amerikanerin Lucinda Devlins: In «Omega Suites» lichtet sie Hinrichtungsstätten in den USA ab. Die Bilder sind voll kühler, kalkulierter Schönheit ohne Hinweise auf die Brutalität dieser juristisch legitimierten Tötungsmethoden. Dennoch erschrecken die Bilder und zwingen durch ihre direkte Fokussierung auf das Todesinstrument, Position zur Todesstrafe zu beziehen. Im Gegensatz zur Sterilität der «Omega Suites» steht der Zyklus «Sectarian Murder» des gebürtigen Belfasters Paul Seawright. Orte von Gewaltverbrechen in Nordirland fotografiert er mit feinem Gespür für Bildausschnitt, Licht- und Farbstimmungen und fügt die dazugehörigen Zeitungsmeldungen hinzu. Auch hier lassen die Bilder, ohne dass Gewalt sichtbar wird, ein tiefes Unbehagen zurück. Im Obergeschoss des Museums erwarten den Besucher die Installation «Sang» der Lausanner Künstlerin Elise Gagnebinde, eine Blutlache aus Kunststoff mit unheimlicher, weil nicht sichtbarer Ursache, das «Kit pratée» des Franzosen Éric Potempa, ein Piratenutensil für zeitgenössische Bilderstürmer, und drei Videoprojektionen. Der Zürcher Christoph Draeger schneidet in «Feel Lucky Punk?» Gewaltszenen aus Kinofilmen und nachgespielte Sequenzen dieser Filme ineinander. Ergebnis ist ein kurzweiliges Spektakel, das die Faszination an der Gewalt nicht leugnet.

Einen ähnlichen Ansatz wählt der französische Künstler Alexandre Périgot in «Kill Kill Choréographie», wenn er Freunde bittet, ihren eigenen Tod zu spielen, der dann oft an Spielfilmtode erinnert. Im Remake steckt in beiden Fällen eine unfreiwillige Komik. Hingegen wächst der Ernst im letzten Raum der Ausstellung zu bedrohlicher Intensität heran. Breda Beban, geboren im ehemaligen Jugoslawien, verknüpft die Aufnahme eines Plattenspielers und ein melancholisches Lied von Chet Baker mit Aufnahmen elegant über den Himmel ziehender Kampfflugzeuge, an deren Ende ein Bombenabwurf steht. Der stimmungsvolle Beginn endet im Bewusstsein um den Verlust vieler Menschenleben. Harmonie und Entsetzen überlagern einander. Dieser Aspekt der Gewalt, die Gleichzeitigkeit von Faszination und Grauen, zieht sich wie ein roter Faden durch die ausgestellten Werke. Die Zusammenstellung im Museum Bellerive ergibt ein sehr homogenes Bild, das aber eine Facette der Gewalt und ihrer Darstellungen vermissen lässt: diejenige, die erschüttert, erschreckt und anwidert, ohne dabei ansprechende Reize zu entfalten.