Nichts für Puristen

by Kristin Schmidt

Zehn Jahre Zeughaus Teufen: In der Ausstellung ‹Florilegium Teufen› sind künstlerische Stammgäste ebenso zu sehen wie neue Positionen. Kurator Ueli Vogt versammelt mit der ‹Blütenlese› über dreissig Positionen und wie gut sich das Erbe der Baumeisterfamilie Grubenmann als Ausgangspunkt für kreative Arbeit eignet.

Die Hitze hat Thomas Stüssis Kunstwerk weiterbearbeitet. Sie liess den Heissleim erneut schmelzen und alles stürzte zusammen: Die ausgedienten Dachstuhlmodelle fügen sich nicht mehr zu einer grossen Form, sondern bilden ein bizarres Durcheinander aus Hölzern. Was andernorts nur noch ein kaputtes Kunstwerk gewesen wäre, darf im Zeughaus Teufen bleiben und wird so von selbst zu etwas Neuem: Das zerfallene, zerknickte Lattengebilde kann zum Beispiel als ironischer Kommentar zum Dekonstruktivismus gelesen werden. Solche Verwandlungen, das Neu- und das Weiterdenken haben sich in den vergangenen zehn Jahren im Zeughaus Teufen bewährt und kommen im Sinne des Ausstellungstitels in der Jubiläumsausstellung erneut zur Blüte.

Bekanntes in neuem Licht
Seit der Gründung des Hauses sind viele Werke eigens für die Ausstellungen entstanden. Die Künstlerinnen und Künstler bezogen sich dabei auf die Baumeisterfamilie Grubenmann, auf die Baukultur oder auf die geographische Situation im Appenzellerland. So hatte Felix Stickel 2013 eine Landschaft auf die Wand gemalt, die nun als Hintergrund für eine neue Werkschau des St.Galler Künstlers dient. Alex Hanimann hatte drei Jahre später mit einem Schriftzug ermuntert, im Gespräch zu bleiben und Lösungen zu finden. Dieser Satz, geformt aus Holzlatten, ist jetzt in die Grubenmann-Präsentation im Dachstock integriert und passt dort ebenso gut inhaltlich wie gestalterisch: Das Zeughaus Teufen erinnert nicht statisch an die Grubenmannfamilie, sondern verbindet deren baukünstlerischen Leistungen mit aktuellen Ideen. Früher und heute stehen im Dialog, aus dem zeitgemässe Lösungen entstehen können.

Von Pilz bis Parcours
Strenge Grenzen zwischen Kunst, Handwerk, Design oder Architektur werden dabei nicht gezogen. Kurator Ueli Vogt mischt Kategorien und Sparten, international Bekanntes mit Lokalem, Etabliertes mit Experimentellem. Da hängt eine blaue Papierbahn der Bielerin Katrin Hotz neben den akkurat gemalten Porträts von Hans Zeller. Während Sven Bösiger den Grubenmannmodellen Töne entlockt, interpretiert sie Andri Bühler als Parcoursstrecken. Im Couture-Lehratelier der GBS wurden Blazer fürs Museum entworfen. Wenige Schritte weiter präsentiert Pilzler Marcel Zünd aus St.Gallen die fotografische Sammlung seiner Tagesausbeute. Die Wand darüber ist von Gipspilzen des Künstlers Thomas Stricker befallen. Und die in Basel und London lebende Künstlerin Céline Manz erinnert an die weltberühmte Ausserrhoderin Sophie Taeuber-Arp: Sie hatte für das Strassburger Vergnügungszentrum Aubette die Gestaltung der Innenräume entworfen mit vielen blauen und roten Rechtecken. Fensterfolien in diesen Farben filtern nun im Zeughaus Teufen das Sonnenlicht. Auch dies ist eine Besonderheit in Teufen: Klassische Ausstellungswände gibt es wenige. Deshalb findet sich Kunst auf den Fensterscheiben, auf dem Dielenboden, zwischen den Holzbalken, darum herumgewickelt oder von der Decke herabhängend. Wer den reinen, weissen Kunstraum sucht für die eigene Arbeit oder für die Kunstbetrachtung, wird vom Zeughaus Teufen enttäuscht sein. Wer sich hingegen einlassen kann auf ein gedrängtes Nebeneinander, auf Seitenblicke, Überschneidungen und ganz neue Sichtweisen, ist im Zeughaus Teufen am richtigen Ort.