Eisen, Feuer, Papier

by Kristin Schmidt

Laura McGlinchey und Wassili Widmer sind das Gewinner-Duo des diesjährigen Thurgauer Nachwuchsstipendiums für Bildende Kunst. Für die Shedhalle im Eisenwerk Frauenfeld haben sie eine riesige Papierinstallation entwickelt, in der es klingt und stinkt.

Papier kann alles. Bedruckt kann es grosse Kräfte freisetzen oder Emotionen wiedergeben. Es kann die Welt spiegeln, Zukünftiges oder Vergangenes festhalten. Mitunter muss es auch für allerlei Unfug herhalten und bleibt doch sprichwörtlich geduldig. Haben die gedruckten oder handschriftlich notierten Inhalte ausgedient, hat es das Papier noch lange nicht.

Laura McGlinchey (*1990) ist Pappmaché-Spezialistin. Papier und Karton sind ihre Werkstoffe. Unter ihren Händen kann Papier zur Plastik werden, kann Räume bilden, trennen und öffnen, ohne seinen ursprünglichen Zweck zu verleugnen.

Für die Shedhalle im Eisenwerk Frauenfeld hat Laura McGlinchey gemeinsam mit dem Ausserrhoder Künstler Wassili Widmer (*1992) eine begehbare Papierinstallation entwickelt. Kennengelernt haben sich die beiden beim Masterstudium an der Glasgow School of Art. Seit ihrem Abschluss vor drei Jahren sind sie in Kontakt geblieben, tauschen sich weiterhin über ihre künstlerische Arbeit aus und haben nun das Thurgauer Nachwuchsstipendium für bildende Kunst erhalten. Damit verbunden ist die zwölfte Ausstellung in der Reihe «Tanz mit Bruce» in der Shedhalle im Eisenwerk.

Hand, Kopf, Herz und Bauch

Fünf Wochen lang haben Laura McGlinchey und Wassili Widmer gekleistert und gesprayt, haben zu einer Performance eingeladen, Sound- und Lichteffekte ausgetüftelt. Der Bezug zu Bruce Nauman, der im Motto der Ausstellungsreihe anklingt, blieb dabei im Hintergrund, ist aber durchaus präsent.

Eines der grossen Themen Naumans ist die menschliche Körperlichkeit. Sie ist auch die Basis für die aktuelle Ausstellung in der Shedhalle: Die durch Papierwände gebildeten Sektoren der Halle sind der Hand, dem Kopf, dem Herzen und dem Bauch gewidmet. Damit beziehen sie sich ausserdem auf Fritz Langs Film Metropolis aus dem Jahre 1927: auf die physische und körperliche Arbeit und auf die intellektuelle und geistige Arbeit.

Das Ausstellungskonzept nennt viele solcher Bezüge; so wird beispielsweise männlich, hartes Handwerk identifiziert, das dann wiederum mit einem queeren Element transformiert werden soll. Vergessen gehen dabei feminine Aspekte. Dies zeigt, wie obsolet solche Kategorisierungen sind, und obendrein hat die Ausstellung sie auch gar nicht nötig. Sie wirkt sehr unmittelbar und sinnlich eindrucksvoll.

Anklänge an die industrielle Vergangenheit

Die Papierwände teilen den Raum in höhere und niedrige Kabinette. Manche sind nur geduckt zu erreichen, andere öffnen sich gleich einem grossen Höllenschlund. Darinnen glüht es, stinkt, scharrt und wummert. Wie Lava ergiesst sich rötlich, gelb und orange gefärbtes Papier über den Boden. Eine schwarze, schrundige Kruste bricht auf und gibt tiefer liegende Schichten frei.

An anderer Stelle wird ein Unterwasserblick vorgespiegelt. Wieder anderswo greifen drei Dutzend Hände in die Luft. Eine Jugendstilform ist in schönstem Schwung auf die Wand gemalt, ertrinkt aber bereits wieder in wirrem Schwarz. An anderer Stelle lockt am Ende eines engen und immer enger werdenden schwarzen Papierkorridors ein schwarzes Herz aus Pappe.

Papier baucht sich von den Decken herab, lässt Kanten verschwinden und stattdessen organische Räume entstehen. Ab und zu fällt der Blick auf das Papier selbst, viel Zeitungspapier und dazwischen Noten von Musikstücken, Matheübungsblätter, Buchkopien.

Das Papier stammt aus der Wohngemeinschaft im Eisenwerk. Dieser enge Bezug zum Leben und zu ihrem Ort erdet die Installation: «Melting of the iron body» bringt die Industriehalle ins Jetzt und Hier. Auf die früher hier verrichtete, schwere körperliche Arbeit verweist zwar noch die Videoperformance. Wieder klingt das Hämmern, Sägen, Werken durch die Hallen, aber es dient nicht mehr der Produktion, sondern verbindet sich mit den Raumeindrücken, der konstruierten Dichte und den Farb- und Lichtkonzepten zu einem Gesamtkunstwerk.