Baustoff im Schaukasten

by Kristin Schmidt

Farben knallen, Muster wirbeln, auf oben und unten kommt es längst nicht mehr an. Wo andere sich noch an Malereitraditionen abarbeiten oder Neubewertungen versuchen, hat Andreas Slominski längst alles hinter sich gelassen und zeigt einen Kessel Buntes im Kunstmuseum St.Gallen.

St. Gallen — Wer denkt schon bei jedem schrankenlosen Bahnübergang an den Heiligen Andreas? Ist das rotweisse Kreuz aus zwei diagonal verlaufenden Balken nur ein universales Gefahrensymbol? Oder steckt in jedem Andreaskreuz noch ein bisschen Martyrium? Wenn Andreas Slominski (*1959) seinem eigenen Vornamen ein Sankt hinzufügt, holt er nicht nur den Apostel ins Bewusstsein, sondern auch die Vieldeutigkeit: Die Dinge sind kaum nur das, wonach sie zunächst aussehen, erst recht nicht mit «St. Andreas Slominski». Der Künstler unterläuft Annahmen und Erwartungen: Die Ausstellung im Kunstmuseum St.Gallen beginnt im oberen Foyer mit grossen, scharf gestellten Fallen – und dies ganz ohne Gefahrenhinweis – danach schliesst eine Bilderausstellung an, die fast klassisch ist, aber eben nur fast.
Slominski ist längst als künstlerischer Fallensteller bekannt. Als «Fallen» können aber nicht nur die ohnehin so deklarierten Installationen und Objekte gelten, sondern auch jene Werke, mit denen er jetzt im gesamten Obergeschoss des Museums präsent ist. Slominskis bevorzugter Bildträger ist weder Holz noch Leinwand, sondern Polystyrol. Der Kunststoff ist kostengünstig und weit verbreitet, grossen Einsatz findet er vor allem als Dämmstoff in der Bauindustrie. Auch Slominski baut damit: Auf rechteckige Platten klebt er weitere Kunststoffteile und konstruiert auf diese Weise Reliefs. Oder er schnitzt: Aus Polystyrol entstehen halbierte Früchte, merkwürdig geformte Handtaschen, eine Schraubzwinge oder ein Sägebock. Das industriell gefertigte Material wird dabei sowohl in der industriellen Einfärbung verwendet oder der Künstler besprüht es mit Acrylfarben in leuchtenden Bonbontönen, mal mit wolkigen Formen mal mit exakten, schablonengeformten Konturen. Die Bilder kokettieren mit der Nähe zum Dekorativen, lassen im Sinne der Gegenständlichkeit Lokalfarbe anklingen oder zitieren Muster und Allover-Effekte. Sie führen nirgendwo hin und überall – Hauptsache schrill.
Besonders schlüssig ist Slominskis Verwirrspiel angesichts Richard Serras «Thelma, is that you? (For Lena Horne)», 1983: Die Walzstahlplatten aus der Museumssammlung lehnen permanent im ersten Raum auf der Südseite des Hauses. Slominski umgibt Serras rostige Platten mit Polystyrolreliefs, die mit Rostfarbe gestrichen sind. So geht das also heute: weniger gewichtig, weniger ewig, weniger erhaben, dafür keck, ironisch und angriffslustig – wider die Bedeutungsschwere, für den Aberwitz.