Eine Tanne als Umweltmonument

by Kristin Schmidt

Erde und Wasser, leben und überleben, Natur und Mensch – Otobong Nkanga erzählt von tiefgreifenden Veränderungen. Dafür verbindet sie die vier Stockwerke des Kunsthaus Bregenz mit einer eindrucksvollen Installation.

Ökologische Anliegen sind hoch im Kurs, auch in der Kunst. Mal leuchtet die Verbindung von Kunst und Ökologie mehr ein, mal weniger. Manches bleibt ein zwar medienwirksames, aber wenig reflektiertes Lippenbekenntnis, anderes zeugt von fundiertem Anspruch. Wenn etwa Otobong Nkanga Umweltfragen thematisiert, wird deutlich: Die 1974 in Nigeria geborene Künstlerin weiss, wovon sie spricht. Energie ist nicht erneuerbar, sie kann nur von einer Form in eine andere übergehen. Alles ist ein grosser Kreislauf, der Mensch ist Teil desselben. Diese Verbindung ist unauflöslich: Wenn der Mensch etwas tut, hat dies Auswirkungen auf den Kreislauf, in positivem wie in negativem Sinne.
Lässt sich dies schlüssig in einem Ausstellungshaus darstellen? Fernab der Natur, in einer hochartifiziellen Umgebung, unterhalten dank dem Zugriff auf Ressourcen? Otobong Nkanga verbindet Natur und Kunst, Natur und Architektur. Sie liess eine 33 Meter hohe Weisstanne ins Kunsthaus Bregenz einpassen. Sie war im nahen Bregenzer Wald gestorben und verbindet nun alle vier Stockwerke miteinander. Auch die Erde stammt aus der Region: Aufgehäuft und ausgebreitet im Erdgeschoss und in der obersten Etage, erdet sie sprichwörtlich das ganze Haus. Zu Beginn der Ausstellung ist sie noch mit Wasser benetzt, kleine Tümpel spiegeln das Licht, doch sie werden austrocknen und so rissig werden wie der Terrazzoboden an manchen Stellen im Kunsthaus. Alterungsprozesse als Teil des Kreislaufes spielen eine ebenso grosse Rolle in Otobong Nkangas Werk wie irreversible Eingriffe: Eigens für die Ausstellung und in Kooperation mit dem Textilmuseum Tilburg hat sie vier Tapisserien weben lassen. Sie verstehen sich als Teile eines riesigen Wandteppichs, der wie die Tanne über alle vier Stockwerke des Kunsthauses reicht. Das Gewebe zeigt mit grosser Farb-, Material- und Formvielfalt einen Querschnitt der Welt vom Meeresboden bis hinauf zu den Baumwipfeln. Auch hier sind die menschlichen Einflüsse präsent: Bodenschätze werden heraufgeholt, Fischernetze zerschneiden das Blau. Arme liegen verstreut, verfangen sich in den Netzen. Auch diese Körperteile vereinen das Künstliche und das Natürliche, denn sie besitzen Scharniere. Waren die Ertrunkenen Marionetten im ökonomischen oder politischen Spiel? Otobong Nkanga verstrickt sich nicht in kleinteilige Interpretationsangebote. Der Mensch und seine Handlungen stehen niemals isoliert, sondern sind Teil des energetischen Weltgefüges.