Hat es ihr geschadet? Mitnichten!

by Kristin Schmidt

Fünfmal drohte ihr Ungemach, fünfmal ging sie erneuert und vital aus der Krise heraus: Die Malerei ist nicht unterzukriegen. Sie vereinnahmt, was sie bedroht, und lebt danach munter weiter. Wer dafür noch einen Beweis braucht, erhält ihn von Peter Fischli in der Fondazione Prada.

Venedig — Klick! Auslöser gedrückt, Szenerie verewigt – warum noch malen? Zeitungsseiten, Billetts, Bild im Bild? Kleben statt malen! Künstlerische Handschrift als Geste des Genius? Längst ein Mythos. Fort mit bürgerlichen Attitüden; fort mit kommerziell verwertbarer Flachware!
Technik, Fortschritt oder Kritik – die Malerei wurde heftig attackiert: Fünf «Ruptures» erkennt und benennt Peter Fischli. Von ihnen ausgehend hat der Künstler eine Ausstellung kuratiert, die ebenso persönlich angelegt wie allgemeingültig ist; und die dank des Ortes noch einmal mehr zeigt, wie gültig die These von der andauernden Vitalität der Malerei ist. Könnte sich die zeitgenössische Malerei sonst durchsetzen gegen die üppigen Wand- und Deckengemälde in der Ca´ Corner della Regina? Der Palazzo ist ein barockes Prachtstück, alles andere also als ein White Cube. Aber selbst hier, selbst noch in der Horizontale entfaltet die Malerei ihre Kraft: Mitten im Piano nobile liegt Jean-Frédéric Schnyders «Hudel», 1983–2004, jener aus Pinsellumpen zusammengeflickte Malereiteppich. Die unabsichtlich entstandenen Farbfetzen, absichtlich kombiniert, zeugen von zwanzig Jahren Arbeit im Atelier: so viel Energie, so viel Malerei, so viel Bildgewalt. Das liess sich anderthalb Jahrhunderte früher freilich noch nicht erahnen. Damals entwarf Honoré Daumier einen Abgesang auf die Malerei: In «Marche funèbre!!/N°2», 1855, wird sie zu Grabe betragen, lange bevor Kubismus und Dadaismus sie erneut niederstrecken. Schwitters oder Duchamp; Broodthaers oder Sturtevant, Rauschenberg oder Fraser – viele haben mit der Malerei gebrochen und sie zugleich erneuert. Ein Schiessbild von Niki de Saint Phalle ist genauso schlüssig in der Ausstellung wie die bildgewordenen Herdplatten von Rosemarie Trockel.
Der Gang durch «Stop Painting» ist aber kein trockener Gang durch die jüngere Kunstgeschichte. Peter Fischli setzt auf ungewohnte Nachbarschaften, holt hervor, was wieder einmal anzusehen lohnt, und schlägt den Bogen bis heute, bis zu Auseinandersetzungen mit der Digitalisierung bei der Schottin Morag Keil (*1985) oder grundsätzlichen Identitätsfragen bei Puppies Puppies (*1989) – die Vielfalt ist immens, aber nie beliebig, denn alles wird vom Blick des Künstlers zusammengehalten: Peter Fischlis «Modellone», 2021 im Erdgeschoss des Hauses ist Modellausstellung, künstlerische Geste, dreidimensionales Ideengebäude und damit Kernstück der Präsentation.