Zu Gast im Garten

by Kristin Schmidt

Was geht vorüber? Wer geht vorüber? Geht es vorüber? Eindrücke, Zustände, Menschen – alles ist endlich. Das Wenigste überdauert die Zeit. Auch in der Kunst sind Ewigkeitsansprüche seltener geworden. Das Bronzedenkmal ist ein Auslaufmodell, ebenso wie die mit der Architektur verwachsene Bauplastik; auch das Gebaute selbst ist schnelleren Abrisszyklen unterworfen. Der Verzicht auf dauerhafte Zeiträume eröffnet neue Freiheiten. Das zeigt die Biennale Weiertal. Seit 2009 werden in diesem idyllischen Flecken am Rande von Winterthur im Zweijahresrhythmus thematische Ausstellungen kuratiert. Die Werke bleiben einen Sommer lang, suchen den Dialog mit der Natur, der Landschaft und den Menschen. Danach ist der Garten wieder Garten. In diesem Jahr ist diese temporäre Existenz der Kunst sogar das Motto der Biennale: «VORÜBER_GEHEND, Idylle und Künstlichkeit» nennt Kurator Luciano Fasciati seine Ausstellung. Die eingeladenen 20 Künstlerinnen und Künstler haben Arbeiten entwickelt, die mal mehr, mal weniger auf den Ort reagieren, aber immer eine weitere Bedeutungsebene in die Landschaft setzen. Die Kunstwerke recken sich in die Luft, tauchen unter die Erde, schwimmen im Weiher oder nisten auf der Wiese zwischen den alten Obstbäumen: Die goldene Leiter von Remo Albert Alig und Marionna Fontana ragt weit über einen Apfelbaum hinaus, zu Füssen hat sie bereits Wurzeln geschlagen. Marianne Engels gläserne Halbkugeln sind wie Seifenblasen im Gras gelandet und nicht zerplatzt, sondern zur Heimat für kleine Zwischenwelten geworden. Isabelle Krieg hat den Gartenpavillon komplett schwarz angestrichen. Nun wirkt er wie ein verwunschenes Tor in ein Paralleluniversum. Auch Reto Bollers kunterbunte Ansammlung kleiner Campingzelte hinterlässt einen ambivalenten Eindruck: Ferien oder Notunterkunft? Festivalübrigbleibsel oder Käferfest? Die Antwort ist bewusst offen gelassen. Roman Signers «Windfahne» balanciert einen Feuerwehrhandschuh und ein Paddel – auch die kleinen Verschiebungen wecken die Entdeckerlust. So entpuppen sich die verpackten Heuballen nahe des Feldes als eine Arbeit von Not Vital und die Mondreise hinterm geöffneten Fenster als poetische Installation von Zilla Leutenegger.
Auch in diesem Jahr wieder ist die Biennale Weiertal eine Reise wert. Und sei es nur, um zu sehen, welche Reibungsflächen die ländliche Idylle bietet oder wie breit die Spannbreite dessen ist, was als Skulptur funktioniert.

bis 12. September
www.skulpturen-biennale.ch