Natürlich künstlich und künstlich natürlich

by Kristin Schmidt

Architektur ist das Gebaute, das Feste, das Konstruierte. Selbst dekonstruktivistische Ansätze können die Physik nicht auflösen. Kann es die Kunst? Gelingt es ihr mit Farbe, Licht und Atmosphäre, die Grenzen des Bauens zu überwinden? Pamela Rosenkranz probiert es im Kunsthaus Bregenz aus.

Pamela Rosenkranz´ Arbeiten sind sinnlich und analytisch zugleich. Die Zürcher Künstlerin (*1979) kennt die Relationen von Raum und Stimmung, die Wirkung von Dingen, Düften, Licht und Farbe auf die Wahrnehmung und das Denken. Doch sie inszeniert keine kontrollierten Erfahrungsräume, sondern lässt vielfältige Faktoren aufeinander treffen, deren Interferenzen und Wechselwirkungen nicht von vornherein festgelegt sind, da sie individuell erlebt werden: Materielle und immaterielle Gegebenheiten durchdringen einander und der Mensch ist dabei nicht nur unbeteiligter Zeuge, sondern steht mit seinen Sinnen im Zentrum. Das funktioniert auch im Kunsthaus Bregenz. Im Gegensatz zu manchen Vorgängerinnen und Vorgängern unterliegt Rosenkranz nicht der Versuchung, Zumthors Architektur mit einer gigantischen Materialschlacht zu begegnen, sondern setzt gezielte, wirkungsvolle Interventionen. Im Foyer beispielsweise, der einzigen Etage mit gläsernen Wänden, hängt vor den Wandflächen transparente Folie. Sie hat weniger einen Einfluss auf das einfallende, ohnehin bereits milchige Licht, als auf die Architektur: Die grossflächigen Faltenwürfe lösen die Raumgrenzen auf.
Rosenkranz setzt transparente Folien und Lacke ein wie Häute und Hüllen. Sie legt Folien über Fotografien, fotografiert diese Sujets erneut und überzieht sie mit Silikon, so dass das Motiv in unbestimmte Ferne rückt. Sie legt Folien zusammengeknüllt im Raum ab oder formt sie zu Röhren gleich abgestreifter Schlangenhaut. Künstliches und Natürliches mischen sich immer wieder auf subtile Art und Weise. Wenn es etwa im ersten Obergeschoss summt, rauscht und raschelt, evoziert dies Natur, nicht jedoch wenn es dazwischen klickt und klappert, Brummen deutliche Schwingungen auslöst oder Stimmengemurmel ertönt. Immer wieder flicht Rosenkranz solche Brüche in ihre Arbeit ein: Die Roboterschlange im obersten Stockwerk bewegt sich zwar genau wie ihr natürliches Vorbild, quietscht jedoch leise dabei. Der süssliche Geruch im zweiten Obergeschoss ist künstlich erzeugt und trägt doch die Erinnerung an organisches Verwesen in sich. Und die Wasserlache auf dem Terrazzoboden stammt nicht von einem Leck im System, sondern ist eine durchdacht platzierte Reflexionsfläche. Alles, was der polierte Boden unscharf wiedergibt, hier wird es konturiert und deutlich. Das Wasser ist Pfütze und Gemälde, es ist Spiegel und Symbol, Natur und Kunst – und es ist Kulminationspunkt der Ausstellung.