Don’t Mind the Gap

by Kristin Schmidt

Im Zeughaus Teufen ist das Dazwischen zu sehen: Die aktuelle Schau bezieht sich mit dem Titel auf «Zwischen Farben» und ist doch viel mehr als eine Ausstellung über Farbphänomene und deren Spielräume.

Zum Auftakt eine Bank: eine Sitzbank aus Holzlatten auf einem Stahlrohrgestell. Einladend. Einfach in der Materialwahl. Klar in der Formgebung. Die Bank steht im Zeughaus Teufen in der aktuellen Ausstellung. Aber sie ist keine Museumsbank, gestaltet für die bedachte Nutzung durch Ausstellungsgäste. Sie soll dem intensiven Gebrauch im Aussenraum dienen, auch wenn sie derzeit nur als Einzelstück existiert.

Die Geschichte der Bank beginnt an der Ulmer Hochschule für Gestaltung. Hier studierte der St. Galler Max Graf bei Johannes Itten, Josef Albers, Max Bill und anderen. Als Bill die Schule 1958 verliess, folgte Max Graf ihm nach Zürich. In dieser Zeit wurde der Wettbewerb für das neue Schulhaus im Kinderdorf Pestalozzi ausgeschrieben. Der angehende Architekt reichte seine Diplomarbeit ein und gewann. Zu seinem umfassenden Verständnis von Architektur, ihrer sozialen Funktion und ihrem gesellschaftlichen Anspruch gehörte, dass er für Trogen auch Sitzbänke entwarf – die aber nie realisiert wurden. Erst im vergangenen Jahr wurde das erste Exemplar gebaut und steht nun im Zeughaus Teufen. Nicht weit davon, im Treppenhaus, im Eingangsbereich, im kleinen Garderobenraum sind Grafs Zeichnungen zu sehen. Viele Bauten gibt es von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Architekt nicht, er hat mehr unterrichtet und viel, viel gezeichnet. Papier und Stift hatte er immer dabei. Manche der Blätter sind kaum mehr als kleine, grafische Notizen, andere haben den Charakter eigenständiger künstlerischer Arbeiten. Wenige Linien begegnen sich auf ihnen, streben einander zu oder fügen sich zu geometrischen Formen. Sie tragen Titel wie «8 gleichgrosse Strecken», «isolierte Vielecke» oder «präzises Dazwischen».

Dieses «Dazwischen» ist das Verbindende der ganzen Ausstellung. Es findet sich an verschiedenen Punkten der Ausstellung. So ist beispielsweise «Harlekin» von Katrin Hotz aus Biel dazwischen installiert: Zwischen den beiden Seitenräumen flankieren farbige Papierbahnen den Mittelgang. Sie leiten den Blick von der einen Stirnseite des Hauses bis auf die andere, setzen starke Farb- und Formakzente. Auch der Boden wird einbezogen, und im Kabinett mit den Landschaften Hans Zellers schiebt sich eine Bahn zwischen Wand und Gemälde.

Hotz‘ Installation bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Perfektion und Improvisation: Akkurat geschnittene Kanten kontrastieren mit gerissenen Rändern. Hochglanzlack trifft auf zerknitterte Oberflächen, die mehr Relief sind als Malerei. Letztere wiederum wird im Farbauftrag und den Farbtönen gefeiert: Satt eingestrichene Bahnen leuchten in merkwürdigen Grüntönen, in unbeschreiblichem, gebrochenem Orange oder Braun. Dazwischen strahlt Neongelb hervor.

Trotz ihrer grossen Präsenz lässt «Harlekin» auch den anderen Werken genügend Raum: Im einen Flügel der Ausstellungsetage präsentiert Lucie Schenker ausgewählte Arbeiten, im anderen Gilgi Guggenheim. Lucie Schenker schlägt eine Brücke zwischen Malerei und Zeichnung. Die St.Galler Künstlerin fügt mit Fettstiften kräftige Striche zu dichten Flächen. Auf anderen Blättern verwendet sie den Bleistift in dichter Schraffur: Die einzelne Linie verschwindet, die plastische Form entsteht – die Balance wird gehalten, das Dazwischen hat Bestand.

Gilgi Guggenheim zeigt ihre Werke in Kooperation mit AUTO ex Nextex: Der Projektraum der Visarte Ost hat einen Satelliten mit zwei Künstlerinnen ins Zeughaus Teufen geschickt. Von Johanna Nissen-Grosser sind Entwürfe für ein dreiteiliges Wandmosaik zu sehen, die eine schöne Farbsymbiose mit «Harlekin» eingehen. Gilgi Guggenheim zeigt Arbeiten mit dem Riesenpinsel: pro Blatt ein Strich, pro Weiss eine Farbspur. Diese ist jedoch nicht homogen, sondern fügt sich aus unzähligen Zwischentönen zusammen. Ein vielstimmiger Klang zieht sich über jedes Bild, entstanden in einem Schwung, festgehalten auf dem Papier – kurze Momente des Innehaltens in dieser vielseitigen, dichten Präsentation, in diesem gut gefüllten Raum mit all den Spuren vergangener Ausstellungen. Auch «Zwischen Farben» wird sich hier hoffentlich auf Dauer einschreiben.