Den Pflanzen eine Stimme

by Kristin Schmidt

Tiere, die ihr eigenes Schicksal oder gleich das der ganzen Welt in die Hand nehmen, gibt es in der Kulturgeschichte seit längerem, das Spektrum reicht weit von den Bremer Stadtmusikanten bis zu Erich Kästners «Die Konferenz der Tiere». Wie aber steht es um die Pflanzen?

Wer traut den Pflanzen zu aufzubegehren? Sie haben doch nicht einmal eine Stimme und sind an einen Ort gebunden. Sind sie überhaupt fähig zu gemeinschaftlichem Handeln? Oder können sie vielleicht doch mehr, als es den Anschein hat? Wie ist es wirklich um ihre Mobilität bestellt oder um ihre Netzwerke? Künstlerinnen und Künstler hören hin, schauen hin, lassen sich auf den Rhythmus der Pflanzen ein und entdecken ihre Kraft. Ihr Blick freilich oft ein anthropozentrischer wie «Das Parlament der Pflanzen» im Kunstmuseum Liechtenstein zeigt. So dokumentieren Paweł Althamer (*1967) und Artur Zmijewski (*1966) unterschiedliche Bewusstseinszustände unter dem Einfluss pflanzlicher Substanzen, Kristine Oßwald (1961–2017) findet in einem modernden Eichenstamm ein Trost spendendes Gegenüber als der Irakkrieg beginnt, und Anna Jermolaewa (*1970) setzt jenen Blüten ein Denkmal, die friedlichen Aufständen ihren Namen gaben wie der Nelken-, der Rosen- oder der Jasminrevolution. Damit gibt es immerhin Schnittblumen in der Ausstellung, die ansonsten über weite Strecken hin trocken bleibt. Daran ändert auch Athena Vidas (*1972) Installation «Florastrale» wenig: Pflanzenelemente, Kristalle, Seide und Wachs verbinden die Baupläne der Natur mit Zahlenmystik, Alchemie und Kosmologie. Immerhin lässt Andrea Büttner (*1972) es grünen. Die Künstlerin sympathisiert mit den Moosen, die den Botanikern lange Zeit etwas suspekt blieben, und sich bestens zur Untersuchung der Scham eignen. Moose sind unscheinbar und anspruchslos und gerade deshalb so weit verbreitet – im Museum wachsen sie eigens auf einem Stein.

Den einzelnen Ausstellungssälen sind Kabinette zugeordnet. Sie vereinen botanische Standardwerke, Raritäten und Verweise auf inzwischen klassische Kunstwerke wie etwa Joseph Beuys´ 7000 Eichen in Kassel. Aber auch in diesen Kabinetten bleiben die Pflanzen Gegenstand, der Forschung nämlich oder der Kunst. Ein Eigenleben entfalten sie hingegen dank Uriel Orlow (*1973). Der Zürcher Künstler versteht Pflanzen als Akteure der Geschichte, er zeichnet ihre Migrationswege nach – insbesondere zwischen Europa und Afrika – und arbeitet ihre Stärken heraus. Seine Bilder und Filme sind unspektakulär und doch eingängig, weil sie die Pflanzen als eigenständige Lebewesen ernst nehmen und die unauflösbaren Verbindungen zwischen menschlichem und pflanzlichem Dasein zeigen.