Auswahl im Überfluss

by Kristin Schmidt

Unendlich schöne grosse Waren- und Werkzeugwelt – acht künstlerische Positionen: Das Kunstmuseum St. Gallen zeigt die Transformation der Dinge. Sie reicht vom Fantastischen bis zum Nüchternen und birgt Aussagen darüber, wie Konsum und Kommerz über Objekte und deren Gestaltung gesteuert werden.

Ob die Muttergottes als Magd oder Königin auftritt, ob sich wie bei Arcimboldo Früchte, Gemüse oder Tiere zu einem Haupt formen oder aus einem Urinal ein Brunnen wird – Verwandlungen prägen die Kunst seit langem. Sie sind vielleicht einer ihrer wichtigsten Wesenszüge und spiegeln sowohl kunstimmanente als auch gesellschaftliche Diskurse. So sind in jüngerer Zeit die Anziehungskraft der Dinge, ihre Gestaltung, Fetischisierung, ihr Anspruch als Alleskönner und Sehnsuchtsobjekt ein ergiebiges Thema für Künstlerinnen und Künstler. Das Kunstmuseum St. Gallen widmet ihm unter dem Titel «Metamorphosis Overdrive» eine Gruppenausstellung. Die Spannbreite ist weit, gemeinsamer Nenner ist das Objekt. Es wird beispielsweise im Sinne eines Ready Made verwendet und erfährt allein durch die neue Positionierung und neue Sichtweisen eine Umdeutung. Dann wieder sind es die Sichtweisen selbst, auf die ein verwandelnder Blick geworfen wird. Anderen Objekten wird durch kleine Eingriffe zu neuen Identitäten verholfen. Und es gibt jene Werke, die in Material oder Form an Bekanntes erinnern, aber doch vollständig neu gestaltete Objekte sind. Sie unterscheiden sich von industriell hergestellten Massenprodukten durch ihre handwerklich aufwendige Fertigung, durch die verwendeten Materialien oder die nicht durch einen zweck motivierte Form. Aber gerade letzteres lenkt umso mehr die Aufmerksamkeit auf die ungebremste Dekorierung des Alltags. Dass die Form der Funktion folgen solle, gilt nur einer sich gestaltungsbewusst gebenden Szene als ehernes Gesetz. Eine grosse Menge von Gebrauchsgegenständen hingegen blufft mit Rillen, Noppen, Bubbles. Extrabreit und karbonverstärkt, LED-beleuchtet oder seidenmatt wird um die Gunst der Konsumentinnen und Konsumenten geworben. Als ergiebigstes Feld, um konstruierte Begehrlichkeiten künstlerisch zu untersuchen, erweist sich die Welt der Fahrzeuge von der Yacht bis zum Auto. Diese Metamorphosen der motorisierten Fortbewegung passend besonders ins postmoderne Untergeschoss des Kunstmuseums, denn auch die Architektur versucht mit mächtigen Formen und Gesten aufzutrumpfen. Gekonnt ist auch die Arbeit Ilona Rueggs platziert. In eine Durchgangssituation stellt die Künstlerin zwei Supermarktkassen mit Laufband hochkant: Alles muss weitergehen, das Geld muss fliessen. Die Verdoppelung ist aber auch der Anfang der Reihung, sie eröffnet simultan zur Architektur Zwischenräume und somit die Chance zum Innehalten, zur Reflexion.