Gegen die Gleichgültigkeit

by Kristin Schmidt

Geradlinig, kompromisslos, engagiert – Steven Parrino hat Stellung bezogen. Sein vielseitiges Werk wird im Kunstmuseum Liechtenstein in der ersten grossen Retrospektive im deutschsprachigen Raum präsentiert. Grundstock der Ausstellung bilden die Arbeiten der Sammlung Rolf Ricke, umfangreich ergänzt durch Leihgaben.

Der Künstler als Spiegel der Gesellschaft – was wie eine zu oft wiederholte Phrase klingt, war für Steven Parrino (1958–2005) Konzept. Er sah sich in der Verantwortung, die Welt zu spiegeln, wie er sie erlebte und wie sie sich im übergeordneten Kontext präsentierte mit ihren popkulturellen Inhalten, ihrem medialen Impetus, ihrem Konformismus, aber auch den Gegentendenzen. Seinen Bildern ist dies auf den ersten Blick nicht anzusehen. Sie ordnen sich in einen Malereidiskurs ein, der in den 1970er und 1980er Jahren nur eine Tendenz kannte: hin zum Nullpunkt, zur völligen Auflösung. Eine Herausforderung für den Kunststudenten Parrino, denn nur, was für tot erklärt worden war, konnte neu gedacht und begonnen werden.

Parrino startet den Neuanfang auf erstaunlich klassische Weise: Farbe auf Leinwand, monochrom. Dann folgt der zweite, radikale Schritt: Die gestaltete Leinwand wird vom Keilrahmen genommen, verdreht, zerknittert, aufgeschnitten und neu aufgespannt.

Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt die Vielfalt dieser «Misshaped Paintings». Die Ausstellung ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern folgt thematischen Schwerpunkten. Dies entspricht sowohl Parrinos Arbeitsweise, Werkgruppen parallel und über lange Zeit hin zu verfolgen, als auch seinem inhaltlichen Anspruch: Die Kunst, nicht selten mit deutlichen Bezügen zur Kunstgeschichte, wird zum Ausgangspunkt für Reflexionen speziell zur US-amerikanischen Gesellschaft wie der «Death in America» übertitelte dritte Saal besonders eindrücklich zeigt. So hängt bei «The self Mutilation Bootleg 2», 1988–2003 ein schwarzes, schmales Querformat an der Wand, ein hochformatiges «Slot Painting» mit ovaler Leerstelle dagegen ist herabgerutscht und mit Kratzspuren versehen. Der Vergleich mit einem Altarbild mit leergeräumter Mandorla und mit Predella liegt nahe. «Death in America #6», 2003 basiert auf drei silberfarbenen Leinwänden, zwei davon sind vom Keilrahmen gezogen und liegen zerknüllt und mit Klebeband fixiert am Boden. Zweimal wurde das Bild gehäutet, zweimal ausgezogen, aber selbst wenn es immer so weiter ginge, es bliebe doch alles gleich – die Botschaften sind gut verpackt und nur durch die Titel erschlossen.

Besonders ergiebig für Parrino war die absurde Medienpräsenz Charles Mansons. Mason repräsentiert die Pathologie einer Gesellschaft, die Parrino in seine Rolle drängt: Der Künstler muss Haltung beziehen und legt die gesellschaftlichen Codes offen – mit Bildern, Videos, Musik und seinem ganzen Leben.