In der Luft – aus der Luft

by Kristin Schmidt

Vögel werden gegessen, gefangen, im Zimmerkäfig oder in Massenzuchtanlagen gehalten; und wenn sich die Katze als beliebtestes Haustier über Vögel hermacht, löst dies oft ein Achselzucken aus. Trotzdem: Vögel sind uns nahe, von der Stadttaube bis zum Wortschatz, vom komischen Kauz bis zur Nachteule. Elisabeth Strässle (*1942) hat sich der Vögel angenommen. Sie hat Präparate abgezeichnet, Verhaltensstudien angefertigt, Sonographien des Vogelrufes erstellt. Sie arbeitete mit der Neugierde einer Forscherin und der Freiheit der Künstlerin. Sie besuchte ornithologische Spezialsammlungen, Museen und die Vogelwarte Sempach und entwickelte daraus ihren eigenen «Catalogue d’oiseaux», der weder enzyklopädisch gedacht noch akribisch ausgestaltet wird, sondern von einer persönlichen Faszination erzählt. Im Kunstraum Kreuzlingen stehen Skizzen neben Aquarellen, riesige Gemälde mit schemenhaften Vogelgestalten neben feingliedrigen Studienblättern. Wo die Wissenschaft neutrale Distanz walten lassen muss, kann die Künstlerin dem Wesen der Vögel grossen Raum geben und beispielsweise in einem Porträt eines Kolkraben all das vermitteln, was das Tier an Mythos und Dichtung umgibt. Schwarz auf schwarz beherrscht es die Bildfläche, unheimlich und edel zugleich und fast schon der Prototyp eines Vogels. So steht er auch für den Traum vom Fliegen, der wiederum als inhaltliche Klammer taugt zwischen der Ausstellung im Erdgeschoss und derjenigen im Tiefparterre des Kunstraum Kreuzlingen: Oben die Vögel, unten die Vogelperspektive. Seit über zehn Jahren ist Melanie Manchot (*1966) mit der Kamera in den Alpen unterwegs. Auch sie forscht auf ihre individuelle Weise. Die persönlich geprägten Rechercheergebnisse übersetzt sie in fotografische und bewegte Bilder. Die hochtechnisierte Infrastruktur thematisiert die in London und Engelberg lebende Künstlerin dabei ebenso wie das Verhältnis der Menschen zu Natur und Landschaft wie die zwei in Kreuzlingen ausgestellten Videos zeigen: Während in «Snowdance», 2019 eine Drohne die funktionalen und doch spielerisch anmutenden Bewegungen von Schneefahrzeugen bei der nächtlichen Pistenpräparation dokumentierte, wirkt «Cadence», 2018 wie das stille, ebenfalls aus der Luft gefilmte Gegenstück dazu: Ein dunkles Pferd bewegt sich im Kreis gehend durch den Schnee und hinterlässt eine ephemere Zeichnung. Hier ist wie im anderen Werk der Mensch involviert. Mal bedient er sich der Technik, mal der Natur, immer aber hinterlässt er Spuren im Schnee.