Transformiertes Kulturgut

by Kristin Schmidt

Sonnenuhr, Sternenkarte, Statue, Skarabäus – jahrtausendealte Artefakte wie diese werden in Nationalmuseen stolz und ehrfürchtig präsentiert, werden wieder und wieder erforscht und prägen das heutige Bild früher Hochkulturen. Iman Issa (*1979) fotografiert diese Kulturzeugnisse seit fast einem Jahrzehnt in Museen auf der ganzen Welt. Die in Ägypten geborene und in Berlin lebende Künstlerin interessiert, wie solche national bedeutsamen Objekte gezeigt und für politische und gesellschaftliche Zwecke instrumentalisiert werden. Aber sie begibt sich nicht in die Rolle einer Richterin über diese Präsentationsweisen, sondern deckt sie mit subtiler künstlerischer Geste auf. Issas aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum St.Gallen – die erste Einzelausstellung in einem Schweizer Museum – kommt geradezu klassisch daher: Kostbar anmutende Objekte stehen sorgsam verteilt einzeln im Raum. Jedes hat die Aura eines Solitärs und doch kommunizieren sie miteinander durch formale Parallelen wie Farbigkeit, Material, Form, Sockel oder Verzicht auf letzteren. Eine weitere Klammer bilden die kurzen Wandtexte, die jedem Objekt zugeordnet sind. So ist beispielsweise neben der «Sonnenuhr», bestehend aus einem hoch aufragenden, zweifach gewinkelten Messingstab mit einer kleinen Messingscheibe, zu lesen: «Im Gegensatz zu den damals in Europa verbreiteten Modellen wurden die meisten erhaltenen Exemplare vertikal aufgestellt. Sammlung des International Museum of Ancient Arts and Culture». Die Beschreibung lässt ebenso viel offen, wie sie preisgibt. Iman Issa legt mit vagen Herkunftshinweisen und den kurzen Erläuterungen Spuren aus, die zwar nicht zu konkreten Vorbildern für ihre Werke führen, die aber das kollektive Gedächtnis aktivieren und mit zeitgenössischem Kulturgut verbinden: Die Beschreibungstexte verweisen auf historische Quellen, ihr Sprachduktus ist zeitgenössisch – eine Synthese, die auch die Plastiken auszeichnet. Die Künstlerin verwendet archetypische Formen wie Kegel, Zylinder oder Pyramide und kombiniert sie mit aktuellem Gestaltungsvokabular. Beispielsweise besteht «Heritage Studies, #27», 2017 zu einer Hälfte aus einer schwarzen Kuppelform, zur anderen erinnert sie an die weissen Deckel von Sprührahmdosen. Beiden Hälften sind wie jedes der Werke mit grosser Sorgfalt und Präzision erdacht, gefertigt und inszeniert. So verwandelt die Ausstellung das Kunstmuseum St.Gallen in das künstlerisch reflektierte Nachbild eines Nationalmuseums.