Symmetrie und Subjektivität

by Kristin Schmidt

Die junge deutsche Künstlerin Raphaela Vogel zeigt unter dem Titel „Bellend bin ich aufgewacht“ eine Werkschau im Kunsthaus Bregenz. Immer wieder dreht sich bei der Künstlerin alles um sich und um sie selbst.

Raphaela Vogels Installationen sind aufsehenerregend. Die erstarrten Flüssigkeitseruptionen, die Tierfiguren und -häute, die grossen Stahlkonstruktionen ziehen das Kunstpublikum in Bann. Nun ist die 31-jährige im Kunsthaus Bregenz angelangt, einem Bau, der selbst für gestandene Künstlerpersönlichkeiten eine Herausforderung darstellt. Aber Vogel geht ganz unbefangen zu Werke. Das gelingt teilweise, teilweise auch nicht. Der Auftakt im Erdgeschoss des Kunsthauses zählt zu den beeindruckenden Momenten der Ausstellung. Im ansonsten leeren Foyer hängen zwei identische bronzene Löwenplastiken von der Betondecke. Das Maul der Kraftprotze ist geöffnet zum Triumphgebrüll. Doch nun scheinen die Raubtiere kläglich zu heulen, denn sie hängen nicht nur kopfüber, sondern in ihren Nasen ist je ein Ring befestigt, an dem ein Kugellautsprecher hängt. Daraus erklingt düster-sanft Milvas „Hurra, wir leben noch“, gesungen von Raphaela Vogel selbst. Mit diesem Lied übers Lebensauf und -ab steckt die in Nürnberg geborene und in Berlin lebende Künstlerin den Rahmen ihrer Arbeiten fest. Immer wieder geht es ihr um Spannungen und Druck, sowohl physikalisch, aber auch auf der emotionalen Ebene des Künstlerinnendaseins: „Was heisst es, Kunst zu machen? Meine Werke sind Reflexionen der eigenen Arbeit.“

Vogels „albtraumhafter Rückblick auf das eigene Schaffen“ gerät jedoch zur notorischen Selbstbespiegelung. Die Künstlerin setzt bewusst auf optische Reize: „Ich führe Effekte vor wie beispielsweise Symmetrien, Spiegelungen und Repetitionen.“ Besonders gern verwendet sie eine 360°-Kamera und tritt selbst auf. In „Son of a Witch“ etwa räkelt sie sich beobachtet von der Kamera auf einem runden Bett mit einer Poledance-Stange in der Mitte. Das Bett schliesslich verwandelt sich langsam in einen Kreisverkehr – alles dreht sich, Runde um Runde.

In „Tränenmeer“ steht Vogel auf einem Felsen am Meer und lässt sich von einer programmierten Drohne filmen, aber auch hier setzt das Kreisen ein: „Die Wirbel zermalmen und verdrehen das Bild, sie spiralisieren und verschränken Wasser und Land.“ Dazu ertönt ein lautes, gedehntes Säuglingsgeschrei, das nur scheinbar im Kontrast zur benachbarten Arbeit „Puppenruhe“ steht: Lebensecht gestaltete Puppen bergen den inbrünstigen Ruf nach einer heilen Welt. Aufgehängt sind sie an Aluminiumtraversen für die Bühnentechnik. Immer wieder verwendet Vogel solche Elemente: „Ich nutze gerne Restbestände der Vergnügungs- und Unterhaltungsindustrie.“

Die Gestänge wirken wie Skelette einer Eventgesellschaft und bilden bei Gerüst, Rahmen und Adersystem für Vogels Installationen. In „Rollo“, benannt nach dem Pudel der Künstlerin, kommen dazu noch weitere Relikte: Modelle architektonischer Wahrzeichen im Massstab 1:25. Sie standen viele Jahre im Freien. Tannennadeln liegen auf der Tower Bridge, der Rendsburger Hochbrücke fehlen Schienenstücke, die Kupferschindeln der Frauenkirche sind locker. Vogel verbindet diese Modelle mit Metallstangen, die alle zu einem Lautsprechersystem und einer Projektion führen: Einmal mehr steht die Künstlerin im Fokus einer Rundumkamera, die alles zu einem Punkt in der Mitte verzerrt, so dass die ganze Welt zu Vogels Füssen liegt. Sie steht im Mittelpunkt ihres Kosmos. Dabei ist der Ausgangspunkt dieser eigens für das Kunsthaus Bregenz entwickelten Installation ein ganz anderer: ein Film der deutschen Regisseurin Helge Sander über eine Frau, die verzweifelt über die Wohnungsnot mit ihren zwei kleinen Kindern bis auf die Spitze eines hohen Kranauslegers klettert. Der Film wird im Untergeschoss gezeigt und lässt in seiner existentiellen Dramatik, seinem Anspruch, seiner Wut und trotz seiner Entstehungszeit 1984 die Arbeiten Raphaela Vogels ziemlich blass dastehen.