Kunst als Aktionsfeld

by Kristin Schmidt

«Che fare?» fragte das Kunstmuseum Liechtenstein vor neun Jahren und fokussierte auf das Tun in der Arte Povera, auf die Prozesse und den Anspruch auf Veränderung. Jetzt folgt ein wichtiger, neuer Baustein in der Aufarbeitung der künstlerischen Bewegung.

«Entrare nell´opera» widmet sich ausschliesslich den Aktionen und zeigt die künstlerischen Werke konsequent und gleichberechtigt neben vielen, erstmals aus den Archiven geborgenen Originalmaterialien. Dafür wurde intensiv mit Künstlern, Nachlass- und Archivbetreuerinnen und Fotografen zusammengearbeitet. Viele von ihnen sind noch Zeitzeugen und lieferten das Wissen um die Arte Povera aus erster Hand. Diese umfangreichen Recherchen werden in einem vollständigen Verzeichnis der Azione Povere publiziert, doch vor dem Blick in das geplante Buch, lohnt der Gang durch die Ausstellung. Hier begegnen sich Werk und Dokumentation auf beispielhafte Weise. Sorgfältig wurde vermieden, die Kunst und die Materialien direkt miteinander zu konfrontieren oder gar zu vermischen. Somit wird den künstlerischen Arbeiten keine Präsenz weggenommen und dokumentarische Bilder sind klar also solche zu erkennen. In jedem Ausstellungssaal wurden eigens Archivzonen eingerichtet, in einem Raum sogar auf einer nie zuvor realisierten zweiten Ebene, die in den perfekten White Cubes des Kunstmuseum Liechtenstein eine annehmliche Leseatmosphäre für die bereitgestellte Literatur und einen Überblick aus ungewohnter Perspektive schafft.

Der Rundgang beginnt mit «Aktion und Werk» und zeigt die enge Verknüpfung zwischen Objekt und Tun, sind doch die Objekte für Handlungen entwickelt, entstehen aus ihnen oder bannen den Moment einer Handlung wie Giovanni Anselmos spannungsgeladener «Torsione». «Aktionen und Schauplätze» widmet sich wichtigen Aktionsorten wie dem Aktionsraum 1 in München, der Fernsehgalerie Gerry Schum und dem Piper Pluriclub in Turin. Im dritten Saal wird das im Ausstellungsmotto genannte «Eintreten ins Werk» allen möglich. Interaktive Arbeiten bieten emotionale und physische Einstiege etwa in eines der Spiegelwerke Michelangelo Pistolettos oder als kräftigen Hammerschlag mit dem Schriftzug «Essere» auf eine Bleiplatte von Eliseo Mattiacci. Das vierte Kapitel schliesslich thematisiert mit «Das Theatrale und die Sinne» den szenischen Raum, den jedes Arte Povera-Werk eröffnet: Es schlägt Brücken über die Zeit, zwischen Denken und Sinnen, ins Leben hinein. ks