Frauen und Bauten im Modell

by Kristin Schmidt

Der dritte 1954er in diesem Sommer: Nach Thomas Struth in Vaduz und Albert Oehlen in St.Gallen und hat das Kunsthaus Bregenz nun seine Ausstellung mit Thomas Schütte eröffnet. Der Düsseldorfer setzt sich mit klassischen Bildhauerpositionen ebenso auseinander wie mit Architekturentwürfen.

Frauen – flach gewalzt, zerdrückt, aufgeschnitten oder verdreht. Thomas Schütte hat den weiblichen Körper auf vielfältige Weise umgestaltet, deformiert und verletzt; und er hat es immer als Bildhauer getan, der einen Typus der figuralen Plastik untersucht und weiterdenkt: Die Liegende und die Kniende gehören zum festen Repertoire klassischer Bildhauer von Maillol bis Moore, von Lehmbruck bis Rodin. Schütte hat seine Variationen dieses Themas in den späten 1990er Jahren in Keramik durchgespielt – ein anachronistisches Vorgehen, dem aber von Anfang an die Option eingeschrieben war, diese Figuren als Modelle zu verstehen. Anfang der 2000er Jahre entstanden schliesslich die Aluminium-, Bronze- und Stahlgüsse, überlebensgross, rostend oder mit Auto- und Pianolackierung. Schütte präsentiert sie nicht auf Sockeln, sondern auf eigens entworfenen Metalltischen und verweist mit dieser angedeuteten Arbeitssituation auf seine Auseinandersetzungsprozesse.

Acht dieser Frauen sind jetzt im Kunsthaus Bregenz ausgestellt und bilden gemeinsam mit Schüttes Architekturmodellen einen perfekten Zweiklang – wenn sie auch in zwei verschiedenen Stockwerken ausgestellt sind. Wie die Frauenplastiken beziehen sich die architektonischen Modelle des Düsseldorfer Künstlers weniger auf die Realität als vielmehr auf Gestaltungstypologien. Nur das Modell für die Skulpturenhalle Neuss war für eine Umsetzung gedacht und wurde gebaut. Alle anderen – Ferienhaus, Bunker oder Wohnhaus – spielen Bauformen durch und weiter bis zur völligen Freiheit von Zweckbestimmtheit. So besteht der Modellsarg nur noch aus einem Gerüstgerippe, das eine farbige Plexiglasplatte in orangerotem Licht erscheinen lässt. Diese Präsentation misst sich beinahe unweigerlich mit den über 300 Architekturmodellen Peter Zumthors, die zwar nicht gezeigt werden, aber zur Sammlung des Kunsthaus Bregenz gehören: Während Zumthor eine künftige Gesamtsituation interpretiert, reduziert Schütte sich auf Haut und Gestalt imaginärer Bauten. Eine Besonderheit stellt seine «Bibliothek (1:1)» dar. Sie ist im Erdgeschoss zu sehen und bleibt aufgrund ihrer Dimension und ihrer Präsentation im Innenraum in der Schwebe zwischen Bau, Skulptur und Modell. Der räumliche Kontext prägt auch den Vergleich der drei Bronzeplastiken im dritten Stockwerk des Kunsthauses mit jenen im Aussenraum: Monumental sind sie immer, aber existentieller muten sie im Innenraum an, wo sie konkurrenzlos ihre Verlorenheit entfalten.