Der gebeugte Mensch

by Kristin Schmidt

Was für ein Kontrast! Was für eine Konsequenz! Eben noch zeigte das Kunsthaus Bregenz die grossformatigen Bilder der Schweizer Künstlerin Miriam Cahn, präsentierte ihre eindringlichen Blicke auf das Menschsein, auf Intimität, Gewalt und Angst, gemalt mit verschwindenden Konturen, in glühenden Farben, intensiv und archaisch. Nun folgt auf die ausfasernden malerischen Gesten, auf die pudrigen Kreidelinien die dreidimensionale Form.

Gequetscht, zusammengesunken, zerdrückt und immer wieder in menschlicher Gestalt: Ab Mitte Juli werden Arbeiten von Thomas Schütte im Kunsthaus Bregenz zu sehen sein. Auch Schütte zeigt die Menschen nicht heldenhaft, sondern verletzlich und verletzt, isoliert oder auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet, verloren und suchend. Schütte ist Bildhauer. Seit Jahrzehnten untersucht er das Bild des Menschen, wie es in vorhergehenden Bildhauergenerationen geprägt wurde und wie es in der heutigen Zeit aussehen kann: Wie lassen sich die Verstrickungen, Zwänge darstellen? Wie steht der Mensch heute da? Und wie seine Kreaturen?

Schütte arbeitet immer wieder für den öffentlichen Raum. In Bregenz begrüsst das «Dritte Tier» die Gäste der Ausstellung. Freundlich blickt es in die Welt, den Robbenschwanz grüssend erhoben, den schweren Oberkörper auf Menschenarme aufgestützt, die in merkwürdigen Pranken enden. Aus seinen Nüstern schnaubt das Tier ein Wölkchen in die Luft. Schütte hat immer auch das Absurde, das Komische in seine Arbeiten integriert und mit dem Ernsten, ja Tragischen verschmolzen. Das Tier ist eine von drei kolossalen Figuren, die während der Ausstellung im Bregenzer Stadtraum gezeigt werden. Die anderen beiden sind «Männer im Matsch»: Ihre Füsse stecken fest, zur Bewegungslosigkeit verdammt harren sie ihres Schicksals.

Im Kunsthaus selbst ist eine Auswahl der architektonischen Modelle Schüttes zu sehen. Auch sie entstehen seit langer Zeit und sind sehr eng mit den Befindlichkeiten des Menschen verknüpft. Betitelt sind sie als Entwürfe für Bunker, Ferienhäuser oder Museen. Im Stockwerk darüber sind Frauenplastiken mit einer Gruppe von keramischen Arbeiten kombiniert: Farbig glasierte Platten sind zu fiktiven Flaggen zusammengefügt und karikieren die bunten Symbole der Nationalstaatlichkeit. Im obersten Stockwerk schliesslich beginnen abermals drei Männer im Boden zu versinken. Sind es Porträts unserer Zeit? Persiflieren die Plastiken die kunsthistorisch etablierten Vorgänger? Bei Schütte ist alles möglich, drum lohnt jede seiner Ausstellungen einen Besuch.

Ab 13. Juli

www.kunsthaus-bregenz.at