Das Besondere im Banalen

by Kristin Schmidt

«Immer wiederkehrende Plötzlichkeit» – so nennt Daniel Robert Hunziker seine aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle Arbon. In ihr versammelt er seine fotografischen Beobachtungen der gebauten Welt und gibt ihnen eine stimmige Gesamtform.

Geschlossene Jalousien, schief gestapelte Euro-Paletten, Absperrgitter, ein Stahlgerüst – nichts Besonderes, und doch sehenswert: Daniel Robert Hunziker lenkt den Blick auf Wiederholungen, Parallelen und Verschiebungen der gebauten Norm. Der in 1965 Walenstadt geborene und in Zürich lebende Künstler hält auf allen seiner Wege die Fotokamera bereit. Ihn interessieren die konstruktiven Gegebenheiten der Umwelt: das Banale wie das Seltene, das Improvisierte wie das Industrielle. Er untersucht, wie sich all diese Randsteine, Betonträger oder Toreinfahrten präsentieren, wenn sie für sich selbst stehen, also keine Verweise auf den konkreten Ort, den Sinn oder räumlichen Zusammenhang gegeben werden.

In der Kunsthalle Arbon zeigt Hunziker Ausschnitte aus seinem umfangreichen Fotoarchiv. Aber er hängt nicht einfach Abzüge seiner Aufnahmen an die Wände der ehemaligen Industriehalle, sondern hat fünf Bildfolgen komponiert, die in einer eigens konstruierten, überlebenshohen Holzstruktur projiziert werden. Die Konstruktion spreizt sich in die Halle und gibt einen Weg von Projektionsnische zu Projektionsnische vor. Bespannt sind die Holzrahmen mit einem Sicherheitsnetz wie es sonst auf Baustellen eingesetzt wird. Es lässt zwar die Blicke durch, schirmt aber das Innere der Struktur ab. Abkürzungen sind also verwehrt, aber es lohnt sich ohnedies, keine der fünf Projektionen auszulassen und die Bildserien vollständig anzusehen.

Bewusst hat der Künstler die Menge der Bilder auf insgesamt 160 begrenzt, ihnen aber jeweils eine Verweildauer von sieben Sekunden gegeben. Damit bleibt die Gesamtzahl der Bilder überschaubar. Und mit der Langsamkeit der Projektion vermeidet Hunziker den Eindruck des Zappens oder hastigen Weiterwischens, wie es heute am Smartphone verbreitet ist. Stattdessen ermöglicht er eine intensive Begegnung mit dem Bild. Die Zeit reicht, um das Bild und das Wesen des Dargestellten zu erfassen, seine Eigenheiten zu erkennen und am nächstfolgenden Bild messen zu können. Auch die Installation und das Format der Fotografien unterstützt diese aktive Wahrnehmung der Motive: Hunziker fotografiert mehrheitlich im Hochformat und projiziert die Bilder in einer Grösse, in der die Sujets fast in ihrer realen Grösse erscheinen. Der aufgerichtete menschliche Körper findet in den Bildern ein Gegenüber. Er findet seine Welt in ihnen wieder und sieht sie doch ganz neu.

Hunziker hat mehrere Semester Architektur studiert und setzt sein Wissen um Proportionen und Bauten auch in Arbon ein. Für die zwei querformatigen Projektionen hat er eigens eine Rampe konzipiert, die ebenfalls eine adäquate Annäherung an die Bilder ermöglichen soll. Der Architekt ist aber auch in den gezeigten Dingen zu spüren. Sie sind an sich wenig aufregend, aber die Aufmerksamkeit wird nicht zuletzt von den sorgfältigen Zusammenstellungen gefesselt. Mal stellt Hunziker formale Bezüge her durch ähnliche Farben oder Strukturen, mal dominieren perspektivische oder materielle Analogien die Bildwechsel. Immer wieder erfreut die Schönheit des Banalen, etwa die Schattenwürfe von Ästen auf einer Wand oder ein geöffnetes Fenster mit altem Holzrahmen. Oft sind die Dinge sind nicht von Menschen mit gestalterischem Bewusstsein ausgeführt. Vieles davon hat Hunziker zufällig beobachtet: «Ich bin einfach unterwegs mit diesem Blick, den habe ich einfach immer dabei.» Dieser Blick wirkt wie ein Katalysator für die eigene Wahrnehmung: Mit einem Male zeigt sich im Gewöhnlichen das Besondere.