Seitenblicke im Lagerhaus

by Kristin Schmidt

Die aktuelle Ausstellung «Seh-Wechsel» vereint Aussenseiterkunst und zeitgenössische Kunst im Museum im Lagerhaus. Kategorien, die am Sonntag Gesprächsstoff gaben.

Was trennt, was verbindet die zeitgenössische bildende Kunst mit der Aussenseiterkunst? Wie empfinden die Künstler selbst diese Kategorisierung? Was bedeutet es für sie, einander gegenüberzustehen? Diesen Fragen stellten sich François Burland und Hildegard Spielhofer beim Künstlergespräch in der Reihe «KKK – Kunst-Kaffee-Kuchen» am vergangenen Sonntag im Museum im Lagerhaus. Den Rahmen bildete die aktuelle Ausstellung «Seh-Wechsel» mit den «Toys», den selbstgebauten Abfallobjekten Burlands, und der Fotoserie «Portobello» von Spielhofer.

Erstmals sind mit den Fotos einer gestrandeten Segelyacht Werke einer professionellen Künstlerin im Museum im Lagerhaus zu sehen. Und spätestens bei dieser Bezeichnung fangen die Schwierigkeiten schon an, die beim Gespräch untersucht wurden. Denn sind nicht auch die Aussenseiterkünstler auf ihre Weise professionell? Und was ist überhaupt ein Aussenseiterkünstler?

Museumsleiterin Monika Jagfeld wies gleich zu Beginn darauf hin, dass die Begriffe «Art brut», «Aussenseiterkunst» oder «Naive Kunst» stets von den Rezipienten geprägt wurden, nicht von den Künstlern selbst. Recht schnell wurde deutlich, dass vor allem die Kunsthistoriker die Abgrenzung suchen und Kategorien aufstellen. Die Künstler selbst kennen kaum Berührungsängste.

So auch beim aktuellen Beispiel. Beide empfinden die Ausstellung nicht als Konfrontation, sondern als bereichernd für das eigene Werk. So betonte etwa François Burland, dass er sowohl Thema als auch Technik im Werk Hildegard Spielhofers schätze und sich demnächst selbst mit der Kamera auf Wracksuche begeben möchte. Hildegard Spielhofer wiederum entdeckt ganz neue Seiten an ihrem Werk. Während bisher die Stimmung ihrer Bilder und die Inszenierung die Wahrnehmung dominierten, lassen sie sich in diesem Kontext plötzlich viel konkreter lesen, und es eröffnen sich völlig neue Assoziationsketten.

Spielhofer zeigte in ihrer Argumentation denn auch, dass sämtliche Kategorisierungen längst obsolet sind: «Es ist irrelevant, ob die Künstlerin Emma Kunz oder Fiona Tan heisst, wichtig sind die Intensität, die Hingabe und die Zeit, mit der gearbeitet wird. Der Wille muss erkennbar sein, etwas umsetzen zu wollen, ein Konzept oder ein Gefühl in Form zu bringen.»

Schöner lässt sich Kunst kaum definieren, und zwar unabhängig von irgendwelchen Kategorien. Oder wie es Burland formulierte: «Die Arbeit ist das Lebenselixier. Ein Werk ist für mich gut, wenn es belebt und beseelt ist. » Er selbst sieht sich überhaupt nicht als Spezialist, doch der müsse man auch nicht sein, um beispielsweise zu erkennen, ob ein Wein gut oder schlecht sei. Darin wurde nun doch noch ein markanter Unterschied zwischen beiden Künstlern deutlich: Im Gegensatz zu Spielhofer reflektiert Burland sein Schaffen nicht. Dass dies jedoch keine Qualitätseinbusse bedeuten muss, zeigt die Ausstellung eindringlich. Und sie eröffnet lohnenswerte Seitenblicke jenseits aller Etiketten. Dies funktionierte schon 2003 im Kunstmuseum, als sich Andy Warhol und die Appenzeller Bauernmalerei trafen; und nun setzt das Museum im Lagerhaus den Dialog fort.