Rathaus für Relevantes

by Kristin Schmidt

Die Dogo Residenz für Neue Kunst hat Grosses vor. Als neugegründete Künstlerresidenz will sie den internationalen Künstlernachwuchs für das Toggenburg begeistern und im Gegenzug einen lebendigen Ort für Kunstinteressierte entwickeln.

Siebenmal war arthur junior unterwegs. Siebenmal hat er Künstlerinnen und Künstler ins Toggenburg eingeladen. Siebenmal entstanden unter seinem Namen Ausstellungen mit ortsspezifischen Arbeiten. Bis schliesslich vor zwei Jahren das Kuratorenquintett das Ende von arthur junior bekannt gab – und sich dann doch nicht aus dem Toggenburg verabschiedete. Zum Glück. Denn nun gibt es die Dogo Residenz. In dem Atelierprogramm lebt fort, was an arthur junior als besonders gelungen in Erinnerung blieb, so Mitinitiantin Julia Wäckerlin: «Von Ausstellung zu Ausstellung haben wir festgestellt, das Wichtigste waren die längeren Aufenthalte der Künstlerinnen und Künstler vor Ort.» In Gesprächen und in ihren Arbeiten reflektierten die Kunstschaffenden, wie sie das Toggenburg und die Kulturszene abseits grosser Zentren erlebten.

Damit wird es nun weitergehen: Die Dogo Residenz ist ein temporärer Arbeits- und Lebensraum für Kunstschaffende und bietet dem Publikum die Möglichkeit, künstlerische Prozesse und Gedanken mitzuerleben. «Die Dogo Residenz streckt ihre Tentakel nach draussen», so Mitbegründer Marcel Hörler. Kunstprojekte sollen sich in die Umgebung hinausbewegen, und das Kunstvermittlungsprogramm will ebenfalls Verbindungen schaffen.

Fixpunkt ist das Rathaus für Kultur in Lichtensteig. Die Dogo Residenz ist darin neben dem Verein Rathaus für Kultur und der Rathaus Stube günstig eingemietet. Über die Subvention der Räume hinaus beteiligt sich die Gemeinde nicht an der Dogo Residenz. Sie hat Gelder vom Kanton St. Gallen und von Stiftungen erhalten und finanziert sich über Mitgliederbeiträge.

Einmal jährlich werden Aufenthalte in der Dogo Residenz ausgeschrieben: Interessierte aus aller Welt können sich für einen zwei- bis viermonatigen Aufenthalt in der Residenz im Rathaus für Kultur in Lichtensteig bewerben. Eine Jury aus zwei Dogo-Verantwortlichen und zwei externen Personen wählt aus. Fünf Plätze sind jeweils parallel zu vergeben. Die Auserkorenen wohnen dann im obersten Stock des Rathauses und erhalten einen Beitrag an die monatlichen Lebenskosten. Zusätzlich können sie eine Turnhalle nutzen, die eigens angemietet wurde, um auch grössere Projekte realisieren zu können. Die Ausschreibung richtet sich bewusst nicht nur an Bildende Künstlerinnen und Künstler, sondern auch an Kulturschaffende aus anderen Bereichen wie Grafik oder Musik. Das kommt gut an, im ersten Jahr sind unter anderem Kulturschaffende aus Kanada, den Niederlanden und Grossbritannien in Lichtensteig. Auch Björn Heyn aus Berlin gehört dazu: «Es ist ein Geschenk an einem überschaubaren Ort längere Zeit am Stück fokussiert arbeiten zu können. Das Konzept ist sympathisch und ich bin gern Teil dieses Neustarts.» Ein Neustart, der allerdings zurückhaltend erfolgte, denn den grossen Auftritt überliess die Dogo Residenz am Eröffnungstag erst einmal anderen: Zwölf Künstlerinnen und Künstler haben in den ehemaligen Amtsräumen ein «Büro für absolut Relevantes» eingerichtet.

Nichts fehlt, die obligatorische, aber chronisch vernachlässigte Topfpflanze nicht und nicht die Spesenabrechnung, nicht die «Entsorgungsstelle für absolut Irrelevantes» und nicht die Formulare für Anträge und Beschwerden. Aber was kann beantragt werden? Wo landet der Antrag? Bei wem? Es gibt To-Do-Listen und Anleitungen, Locher, Ordner und Stempel. Wie im Hamsterlaufrad dreht sich alles um sich selbst. Und manches fällt hinaus. Gesprächsleitungen reichen nie über den Schreibtisch hinaus. Auf der Tastatur gibt es nur noch die Leertaste. Selbst das alte Pizzastück rotiert für immer an der Wand. Die Zeit steht still, selbst das Zeiterfassungsformular wird von der Stechuhr leer wieder ausgespuckt.

Die Künstlergruppe hat eindringliche und humorvolle Bilder entwickelt für eine Welt, die sich selbst verwaltet. Genau dies aber wird die Dogo Residenz nicht tun. Sie hat sich der Offenheit und dem Weiderdenken verschrieben und es spricht Vieles dafür, dass ihr das gelingt.