Jedes Ding ein Schatz

by Kristin Schmidt

Über die Sammelleidenschaft des Hannes vo Wald

„Was passiert, wenn ich verzichte?“ Ein Stück nicht in die Sammlung aufnehmen, obwohl das möglich wäre? Keine einfache Entscheidung, aber eine, der sich Hannes vo Wald immer wieder stellen muss. Denn seine Sammlung ist eine Sammlung ohne Grenzen. Sie ufert aus, sie wächst, sie schliesst Altes ein und Neueres, natürlich Gewachsenes und Nützliches, ewig Bestehendes und von der Zeit Überholtes.

Sehr früh zeigt sich vo Walds Leidenschaft für die Dinge: „Auf Waldspaziergängen habe ich Tierskelette gefunden und mitgenommen. Und bei einem Friedhofsumbau war ich schon als Kind versucht, ausgegrabene Skelette mitzunehmen.“ Bis heute liegen bei Hannes vo Wald Weihnachtsguetzli und Knöcheli nah nebeneinander. Ihn interessieren Grenzgänge, auch wenn sie nicht jedermanns Sache sind. Für ihn ist es ein Glück, so sammeln zu können und sich zu umgeben mit ausgewählten Dingen. Aber manchmal schleichen sich andere Gedanken ein: „Wie wäre es, wenn ich einen Blitz bestellen könnte? Wäre es eine Erlösung, wenn die Scheune in Flammen aufginge?“ Im beständigen Abwägen ist die Freiheit, die Hannes vo Wald durch die Dinge erlebt, grösser als die Belastung, die ihr Besitz auch darstellen kann, denn: „Sammeln ist mehr als Haben, es ist der Weg zum Sein. Bei der Arbeit mit meinen Stücken gelange ich in einen Fluss, in einen Sog, der das Sein bestimmt.“

Zugleich hat das Sammeln auch Leidenskomponenten: Hannes vo Wald hadert mit der Wegwerfgesellschaft. So kann es passieren, dass er Dinge zum Schrottplatz bringt, sein Karren aber auf dem Rückweg voller ist als auf dem Hinweg. Ein anderes Leidenspotential birgt die Ordnung. Für Aussenstehende ist sie in Scheune oder Keller nicht unbedingt ersichtlich, aber Hannes vo Wald hat den Überblick: Wenn ein Anruf kommt und ein bestimmtes Ding gebraucht wird, beginnt es im Hirn zu rattern: „Im Keller die zweite Leiter hoch, dort im Kasten die zweite Schublade, hinten links.“ Aber wenn doch einmal ein Zählrahmen nicht zu finden ist, ist das Leiden gross – und das Wiederfinden ist wie Weihnachten. Und schliesslich stellt sich Leiden ein, wenn keine Zeit ist, die vielen Ideen umzusetzen. Denn erst in der Umsetzung entfaltet sich der Sammler: Jedes Ding hat ein Potential und der Sammler die Freiheit dieses zu entdecken.

Obacht Kultur No. 31 2018/2 (ausserdem Agathe Nisple)