Kunst auf Achterbahnfahrt

by Kristin Schmidt

Philippe Glatz und Matthias Bildstein malen, bauen, drucken, zeichnen und stellen den Kunstkosmos auf den Kopf. Ihre Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau zeigt einen umfangreichen Ausschnitt ihrer aktuellen Arbeit.

Rosa war die Farbe der Prinzenkleider, Rosa ist die Farbe der italienischen Sportzeitung und der Financial Times. Rosafarben ist das grossformatige Gemälde, betitelt mit «Party Hard» von Bildstein ǀ Glatz. Das Bild ist riesig, aber die Party ist vorüber. Die abstrakte Malerei ist zur blossen Geste verkommen. Die Abstrakten Expressionisten, die Neuen Wilden haben es vorgemacht, jetzt wird zitiert – wild durch die Malstile hindurch, aber durchaus virtuos. Bildstein ǀ Glatz beherrschen ihr Handwerk. Der 1979 in St.Gallen geborene Glatz und der 1978 in Hohenems geborene Bildstein haben es an der Akademie bei denen studiert, die sich selbst als grosse Maler inszenierten. Aber sie führen den Mythos nicht einfach weiter, sondern treiben ihn auf die Spitze, um ihn danach zu unterlaufen.

Bildstein ǀ Glatz lassen im Kunstmuseum Thurgau den Testosteronspiegel so weit steigen, dass es ins Absurde kippt. Sie mischen die grossen Malergesten mit inszenierten Stunts, Raketenautos und Trendsportutensilien. Sie feiern sich, lassen die Kunst ins Leere laufen und vergessen bei allem Grössenwahn die Ironie nicht: «Neben den Religionen ist die Kunst heute der einzige Ort, an dem die Unsterblichkeit erlangt werden kann. Das bedeutet für Skeptiker eine begrenzte Auswahl an Möglichkeiten. Also gehen wir aufs Ganze.» Passenderweise in der Karthause Ittingen. Die Klosterkirche mit ihrem rosafarbenem Stuck korrespondiert nun mit «Party Hard» und die Askese der Mönche mit dem Selbstoptimierungstrieb der Kletter- und Bouldergilde. Die grossen architektonischen Würfe finden ihren Widerhall im Doppelloop.

Bereits seit dem vergangenen Jahr steht «Loop» vor der Kartause Ittingen zwischen Schafen und Obstbäumen und wartet nicht etwa auf wagemutige Skater, sondern ist das 15 Meter hohe Zeichen für Konzept und Übermut bei Bildstein ǀ Glatz. Die beiden haben sich inzwischen einen Namen gemacht mit Projekten, die an die Grenzen gehen. Sie bauen solange das Geld reicht, sie spannen Leinwand auf Keilrahmen, die grösser sind als ihr Atelier, sie konstruieren Plattformen, die kentern, noch bevor sie erklommen wurden, und sie entwerfen einen Doppelloop, der in der lilafarbenen Sternchenästhetik der Jahrmarktbuden daherkommt, aber nicht zu benutzen ist. Seine beiden Enden ragen ins Nichts oder besser: in den imaginären Raum. Die Gedanken nehmen Fahrt auf, so wie sie das idealerweise in einer Klosterkirche tun. Sie werden hinaus katapultiert aus der Idylle der Kartause in die Realität, in der sich Kunst, Kommerz und Kritik treffen.

So wie es in der Kartause einen Klosterladen gibt, so gibt es bei Bildstein ǀ Glatz einen Shop, in dem sie selbstgestaltete und produzierte Produkte anbieten. Statt Klosterbier und Echinacea, werden T-Shirts und Accessoires verkauft. Stapelweise umfangreiche Kataloge gehören auch dazu, eigens für die Ausstellung produziert, aber das ganze bisherige Schaffen des Künstlerduos beleuchtend.

Wem das alles ein bisschen zu viel Bildstein ǀ Glatz ist, sollte sich «Konstellation 9. Alles fliesst.» nicht entgehen lassen. Hier wird ein Ausschnitt aus der Sammlung des Kunstmuseum Thurgau präsentiert mit Werken unter anderem von Lisa Schiess, Simone Kappeler, Alexandre Calame und Roman Signer. Die Arbeit des St. Galler Künstlers lässt immer wieder neue dynamische Kreise aus Licht und Wasser entstehen und funktioniert als kleine, gute Ergänzung seiner aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum St.Gallen.