Tanz um Tisch und Stuhl

by Kristin Schmidt

Beatrice Im Obersteg zeigt in der Grabenhalle ihr aktuelles Stück «endlos». Es ist bereits das fünfte Tanztheater, das gemeinsam mit dem Perkussionisten Markus Lauterburg entstanden ist.

Eines ist einsam, zwei sind ein Paar, bei dreien ist eines zu viel, bei vieren nicht, und fünf sind eine Menge. So und immer weiter liesse sich die Geschichte spinnen. Erzählt wird von Beatrice Im Obersteg mit ein paar Holzklötzchen zu Beginn ihres aktuellen Stückes «endlos».

Endlos sind die möglichen Konstellationen. Und was im Kleinen als Spiel auf einem Tisch beginnt, setzt sich im Grossen fort. Im Oberstegs Requisiten sind neben Hunderten kleiner Holzklötze einzig ein Tisch und zwei Stühle. Dies reicht aus, um verschiedenste Beziehungsgeflechte und ihre Auswirkungen in getanzte Bilder zu übersetzen und beinahe nebenbei noch harmonische Farb- und Materialstimmungen zu erzeugen.

Die 1970 in St. Gallen geborene Tänzerin und Choreographin lässt die Möbel agieren. Ganz gleich, ob Tisch oder Stuhl, kann es einengen, zwingen oder stützen, kann es Fessel, Bürde oder Podest sein. Der Interpretationen sind unzählige und es bereichert den Blick, dass die Möbel weder geschlechter- noch personenspezifisch daherkommen.

Die Entwicklung von wirkungsvollen Bildern ist die eine Stärke von Beatrice Im Obersteg. Da wird selbst das viel gebrauchte «zwischen den Stühlen sitzen» nicht platt, sondern zum vielschichtigen Beziehungsspiel. Eine andere Stärke ist Im Oberstegs ganz besondere Körpersprache. Sie wechselt zwischen expressiver und minimalistischer Bewegung. Ob ausholendes Kreisen oder einem Metronom gleichendes Pendeln – Im Obersteg bewegt sich mit höchster Präzision und gleichzeitig verblüffender Leichtigkeit. Selbst dann, wenn sie den Tisch mit scheinbar grösster Anstrengung über die Bühne in der Grabenhalle zieht, als sei es das Schiff der Repinschen Wolgatreidler, wirkt dies anmutig. Ja sogar noch, wenn sie einen Tisch erklimmt, sieht das wie Tanz aus, nicht wie Turnen.

Mittlerweile bereits bewährt ist die Zusammenarbeit Im Oberstegs mit dem Musiker und Komponisten Markus Lauterburg. Sie währt seit 2006. Auch «endlos» lebt ganz wesentlich vom Zusammenklang von Tanz und Musik. Der 1974 in Bern geborene Perkussionist liefert weit mehr als eine musikalische Folie. Die Töne beeinflussen den Tanz und dieser die Musik. Immer wieder verwandelt Lauterburg sein Rhythmus- in ein Melodieinstrument.

Beide Gattungen werden aufs engste miteinander verwoben, und auch der Tanz selbst klingt, etwa wenn Im Obersteg die Klötzchen klackern lässt. Diese wiederum sind weit mehr als Spielzeug oder Geräuschkulisse, tragen sie doch nicht unwesentlich dazu bei, den Raum optisch zu strukturieren. Mit einfachsten Mitteln gelingt es Im Obersteg und Lauterburg mit «endlos», ein die Sinne in vielerlei Hinsicht anregendes Stück zu entwickeln.