Keine Angst vor Rot, Gelb, Blau

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum St. Gallen präsentiert das skulpturale Werk Roman Signers und spannt mit der Ausstellung den Bogen von frühen Zeichnungen bis zu aktuellen Arbeiten. Die Werkauswahl zeigt die inhaltliche und ästhetische Stringenz eines seit einem halben Jahrhundert gewachsenen Oeuvres.

St. Gallen: Das Alterswerk? Mitnichten. Wird Alterswerk gleichgesetzt mit abgeklärt, bedächtig oder selbstzufrieden, dann trifft diese Kategorie nicht auf Roman Signer (*1938) zu. Die jüngsten Werke des Künstlers sind von derselben Experimentierfreude, Neugierde und Lust am Machen getragen wie die vor mehreren Jahrzehnten entstandenen. Roman Signer ist sich treu geblieben, ohne sich zu wiederholen oder sich zitieren zu müssen. Das zeigt die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum St.  Gallen eindrücklich. Anlass dafür ist weniger der runde Geburtstag als vielmehr eine bedeutende Schenkung: Ursula Hauser hat dem Museum ein Konvolut von 22 Zeichnungen aus den Jahren 1976 bis 1986 und «Blaues Fass: Schneise im Feld» geschenkt. Mit dieser Arbeit vertrat Signer die Schweiz an der Biennale di Venzia 1999 und sie legt im Oberlichtsaal des Kunstmuseums einen ebenso selbstverständlichen Auftritt hin wie im Pavillon in den Giardini. Die Basis dafür liegt in Signers planvollem Vorgehen, seinem fundierten naturwissenschaftlichen Interesse und seinem Gespür für die Ästhetik der Dinge und Materialien. Gegenstände kommen entweder in Primärfarben zum Einsatz wie die roten Ballons, die blauen Fässer, gelbe Bänder oder in schwarz wie Regenschirme und Gummistiefel. Die Gestalt der Dinge ist klassisch, unverspoilert.

Zu den sehr bewusst ausgewählten Gebrauchsgegenständen bilden Holz, Metall und Sand den natürlichen Kontrast. Daher wirkt es wie aus einem Guss, wenn im Kunstmuseum beispielsweise die «Spur» neben dem «Fahrrad mit gelbem Band» präsentiert wird. Das eine Werk entstand eigens für die aktuelle Ausstellung: ein Autopneu wurde durch feinen weissen Sand gerollt, seine Spur hat sich darin eingeschrieben. Das andere Werk ist 36 Jahre alt: Sogenanntes Vogelschreckband, auf den Gepäckträger eines Fahrrades montiert, rollt sich während des Fahrens ab und zwar in diesem Falle um die Säulen des Museumsfoyers herum. Das Besondere an dieser Arbeit: Sie wird an jener Stelle gezeigt, an der sie entstanden ist. Im Jahre 1982 war das damals baufällige Kunstmuseum geschlossen. Roman Signer konnte es für seine Arbeiten nutzen und hielt die Ereignisse auf Super-8-Film fest. Sechs davon sind jetzt im Kunstmuseum ausgestellt, dazu das per Fahrrad abgewickelte gelbe Band, das Signer – und so schliesst sich einer der Kreise in seiner Arbeit – auch an der Biennale 1999 zeigte.