Weiss ist nicht gleich weiss

by Kristin Schmidt

Die aktuelle Ausstellung in der Galerie Paul Hafner zeigt Werke von Tobias Pils. Der österreichische Künstler lässt neu in seinen Gemälden Motivisches anklingen und ist sich dennoch treu geblieben.

Die Malerei von Tobias Pils ist aus der Zeichnung geboren. Noch vor wenigen Jahren arbeitete der österreichische Künstler mit Tusche und Bleistift auf Papier. Mit dem Wechsel auf die Leinwand kam dann zunächst Farbe als Material hinzu, aber der Bleistift blieb. In den aktuellsten Werken nun, ausgestellt in der Galerie Paul Hafner, spielt die Bleistiftlinie kaum mehr eine Rolle – und doch ist sich Tobias Pils treu geblieben.

Der Künstler denkt sehr stark in Räumen. Ob mit Bleistiftlinien oder Pinselstrichen konstruiert – die Bilder werden in Schichtungen entwickelt. Die Ebenen verschränken sich, lassen Durchblicke zu oder halten den Blick im Vordergrund. Ein wichtiges Element ist dabei stets die Fläche. Sie kann als grosse schwarze Form alles darunter Liegende verdecken oder alles offen lassen; dann nämlich, wenn der grundierten Leinwand ein wichtiger Platz im Bild zugewiesen ist.

Immer finden sich Liniengewebe, Netze oder Raster in einem spannungsvollen Gegensatz zu schwarzen, grauen oder weissen Flächen. Diese sind jedoch bei weitem nicht monochrom. Im Schwarz lassen sich Grautöne entdecken. Das Weiss der Grundierung wird mit einem noch weisseren Weiss übermalt. Das Grau lebt von Farbnuancen.

Die Zwischentöne sind ein Grund, warum sich Tobias Pils der Malerei zugewandt hat. Ein anderer ist der Charakter des Pinselstriches selbst. Es geht dabei nicht um den Duktus, sondern um die Form, die Art der erzeugten Linie. Wenn Pils beispielsweise weisse Striche auf die weisse Grundierung setzt, so wahrt er bewusst den Anschein des Überarbeitens. Fast sieht es aus, als habe er mit Korrekturflüssigkeit versucht, frühere Schichten des Bildes zu tilgen. Und so wie auf dem weissen Briefpapier die Korrekturfarbe verräterische Spuren hinterlässt, ja geradezu aufmerksam macht auf den übertünchten Fehler, lenkt Pils mit der rasch und nur scheinbar ohne Präzision gezogenen Linie den Blick bewusst auf ausgewählte Stellen. Dies sind jedoch nicht unbedingt die Punkte, an denen der Blick sonst haften würde. Er liesse sich vielmehr von den Motiven bannen, die neu in den Gemälden auftauchen.

Aber sind es wirklich Motive? Sind jene Kreise etwa Bälle oder sind es Trauben, oder doch nur abstrakte Ornamente? Überhaupt arbeitet der Künstler virtuos mit Ornamenthaftem, es wird nie dekorativ. Regelmässigkeiten bleiben scheinbar zufällig und selbst Symmetrien werden um ein winziges Moment verschoben und sind somit keine mehr.

Bei Tobias Pils scheint Bekanntes auf – und wird doch wieder als Täuschung entlarvt. Hier wirkt auch des Künstlers Verzicht auf die Farbe, denn wäre jene stachelige Form grün, wäre sie ein Kaktus, ein Gelb oder Rot machte eine Explosion aus ihr, ein Blau eine Fontäne. Doch das bleibt Spekulation. Der Betrachter selbst ist es, der die Farbe hinzudenken kann.

Das Schwarzweissfernsehen ist längst Geschichte, doch wer es noch kennt, weiss, wie leicht sich Farbe vorstellen lässt, ja wie sie aufgrund der Seherfahrung automatisch dazu addiert wird – auch wenn sich dann bei der Umstellung aufs Farbfernsehen zeigte, dass die Augen der Lieblingsmoderatorin blau und nicht grün waren. Solche Enttäuschung bleibt dem Betrachter bei Pils erspart. Sie können nach Belieben im Kopf koloriert werden. Bewusst lässt der Künstler vieles offen, und bietet Projektionsflächen für individuelle Entdeckungen an.