Pose und Haltung

by Kristin Schmidt

St. Gallen: Die Musik ist der rote Faden. Seit Jahren fotografiert Georg Gatsas die Protagonistinnen und Protagonisten urbaner, subkultureller Musikszenen. Er fotografiert sie nicht aus dem Blick des Beobachters heraus, sondern taucht ein in die Netzwerke, die Städte, die Nächte und Clubs. Die Porträtierten stellen sich seiner Kamera, sie tun es im Bewusstsein um die Nähe zur Kamera und zum Künstler, aber auch im Bewusstsein um die Eigendynamik der fotografischen Veröffentlichung. Sie inszenieren ihr Widerstreben ebenso wie ihre Lust an der Aufmerksamkeit. Diese fragile Balance zeichnet nahezu jede Porträtaufnahme in der Ausstellung des diesjährigen Manor-Kunstpreisträgers im Kunstmuseum St.Gallen aus – ganz gleich ob sie ohne einen bestimmten Verwendungszweck entstand oder für ein Plattencover gedacht war. Jedes der Bilder Georg Gatsas´ ist eine sorgfältige Momentaufnahme, deren Charakter von den Porträtierten getragen wird und somit bei einigen Beispielen beiläufig oder abweisend wirkt bei anderen minutiös geplant und herausfordernd.

Im Kunstmuseum St.Gallen sind die Porträts vor allem im ersten Ausstellungsraum zu sehen. Durch die Präsentation von auf die Wand tapezierten Grossformaten, gerahmten Bildern und an die Wand gepinnten Blättern ergibt sich ein abwechslungsreicher Parcours, der mit Gatsas´ verzweigten Wegen durch die global agierende Szene korrespondiert. So fanden Treffen mit der südafrikanischen Sängerin Performerin Manthe Ribane in St.Gallen, London und Johannesburg statt.

London und New York sind besondere Kristallisationsorte für die zeitgenössische Musik und somit für das Werk des 1978 in Grabs geborenen Künstlers. Hier entstanden die Serien «Signal the Future», «Five Points» und «The Process». Auszüge davon sind im zweiten Ausstellungsraum zu sehen – in einem ebenso stimmigen Format- und Präsentationsmix wie im ersten Raum, hier noch bereichert durch den Wechsel zwischen Schwarzweiss und Farbe. In vielen der nächtlichen Stadtaufnahmen verschwindet der Hintergrund in tiefem Schwarz. Nur Details scheinen auf, eine Pfütze, ein ausrangierter Sessel, ein Maschendrahtzaun. Das kann alles überall sein und ist zugleich Ausdruck einer besonders geschärften Wahrnehmung für Poesie und Tristesse einer Grossstadt.