Zu den Bildern: Vera Marke

by Kristin Schmidt

Invn° 1612, 2010 (Ausschnitt), Tempera und Öl auf Leinwand, 96 x 85 cm, Invn° 1803, 2013 (Ausschnitt), Tempera und Öl auf Leinwand, 58 x 67 cm

Täler und Kreten, Krater und Hügel – eine Einladung, nicht für die Füsse, sondern für die Augen, darin zu spazieren, sich zu verlieren, zurückzukehren, neue Wege einzuschlagen. Keine Landschaft und doch eine Landschaft – ein Faltenwurf als sinnlicher Reiz.

Vera Marke malt Faltenwürfe. Aber was sind Faltenwürfe eigentlich? Sie sind kein Stoff, sie sind spontane, vergängliche Form. Sie sind eine Spielwiese für malende und bildhauende Virtuosen. Faltenwürfe lassen sich endlos weiterziehen, sie fallen in Kaskaden von Statuen herab oder schwingen sich in Deckengemälden gen Himmel.

Vera Marke hat die lange geschichte der Falte in der Kunst studiert. Im Zentrum ihrer Malerei steht die Frage nach dem Bild, nicht nach dem Motiv: Die Faltenwürfe in den Werken der Herisauer Künstlerin erscheinen als ein kleiner Ausschnitt eines unbestimmten grösseren ganzen. Sie lassen sich jenseits des Bildrandes weiterdenken, ohne dass ein gegenständlicher Bezug sichtbar wird. Bewusst wird dies auch durch die Farbigkeit gesteuert: Der fleischige Inkarnatton etwa lässt statt an Textiles weit mehr an Hautfalten, an die deftigen Schlachthausbilder Corinths oder Rembrandts denken. Vera Markes Faltenbilder bilden nicht ab, sondern verbergen. Statt über ein gemaltes und damit imaginiertes Objekt legen sich die Faltenwürfe über die gespannte, faltenfreie Lein- wand. Das tatsächliche, textile Material wird mit gemaltem Stoff bedeckt. Oder könnte noch etwas zwischen Leinwand und Stoff liegen? Wohin führen die tiefen, schwarz verschatteten Falten? Immer schwingt in den Bildern das Bewusstsein mit um die Fähigkeit der Textilien, etwas zu umhüllen und darüber hinaus auch selbst Raum zu gestalten. Vera Marke verschränkt zweidimensio- nalen, realen Malgrund und dreidimensionale, illusionistische Malerei – der Faltenwurf als Paradoxon.

Obacht, Nr. 17, Heft 2013/3