Wenn sich der Zeitgeist austobt

by Kristin Schmidt

BGL in der Kunsthalle Arbon

Seit Johann Gottfried Herder ihn benannt hat, spukt der Zeitgeist durch die Lande, taucht mal hier im Feuilleton auf und mal dort, wird für vieles angerufen und ändert ständig seine Gestalt. Gar nicht so einfach, ihn dingfest zu machen, dafür braucht es eine Portion Unbekümmertheit und einen gewissen Vorwitz. Beides hat BGL. Das kanadische Künstlerkollektiv aus in Québec City hatte es bereits vor zwei Jahren geschafft, den kanadischen Pavillon an der Biennale Venedig inmitten durchgestalteter Länderpräsentationen in einen heruntergewirtschafteten Laden für alles zu verwandeln und ihn auch noch „Canadissimo“ zu nennen. Diese Unbefangenheit hat wohl auch ihren Anteil daran, dass Jasmin Bilodeau, Sébastien Giguère und Nicolas Laverdière ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz abseits der grossen Kunstzentren zeigen und nichts Geringeres als den Zeitgeist ausstellen – in handlichem Format obendrein: Als »Mini-Zeitgeist« passt er genau in die Kubatur der Kunsthalle Arbon. BGL verwandelt die Halle in einen Parcours durch alles. Der Erlebnispark vereint Elemente ihres bisherigen Schaffens, lässt die vier Elemente auftreten, wechselt von Natur zu Künstlichkeit und zurück und kommt humorvoll daher, vermischt freilich mit kritischen Untertönen. Wie schon in Venedig gelingt es BGL auch in Arbon den Bau zu verwandeln, ohne seine Identität zu negieren. Die ehemaligen Hallen des Blechfabrikanten Schädler verwandeln sie durch einen Deckeneinbau in einen theatralischen Raum. Die Oberlichter werden so zu natürlichen Scheinwerfern und beleuchten beispielsweise den »Shisha Muffler», einen zur Seite gekippten Personenwagen, dessen Auspuff zu einer Shisha-Pfeife umfunktioniert ist und somit einen partizipativen Teil der Ausstellung bildet. Die Transformation der Dinge gehört zum Grundvokabular von BGL. Damit bewegen sie sich bewusst auf der Grenze zwischen Improvisation und der in der Konsumgesellschaft weit fortgeschrittenen Entfremdung der Dinge. So nehmen sie etwa jene weit verbreiteten Pseudofeuer aus beleuchteten Stofffetzchen aufs Korn oder täuschen eine Eislandschaft aus Styropor vor – selbst die grössten ökonomischen und ökologischen Zusammenhänge finden bei BGL auf kleinem Raum Platz und gleich daneben darf sich die Spassgesellschaft austoben. Damit findet die Arbeit des Kollektivs das adäquate Bild für pauschale Zeitgeistbehauptungen.