Bildmanipulation und -realität

by Kristin Schmidt

«In welchem Style sollen wir bauen?» schrieb der Architekt Heinrich Hübsch anlässlich der technischen Möglichkeiten des Bauens im 19. Jahrhundert. Heute lässt sich diese Frage auf die Fotografie und die digital erzeugten Effekte übertragen. Im Dialog mit der Malerei entstehen neue Bildrealitäten.

Was ist wirklich? Was ist wahr? Wie lässt es sich abbilden? Die Fotografie reduziert die materiellen Eigenschaften des abgelichteten Materials. Der Abzug oder Ausdruck ist ganz Bild. Ein Gemälde ist ebenfalls ein Bild, doch die Malerei erzeugt eine neue Realität, eine eigenständige materielle Präsenz. Gerhard Richter hat an den Grenzen beider Medien gearbeitet wie auch an den Übergängen dazwischen, immer wieder hat er den Wirklichkeitsgehalt von Fotografie und Malerei untersucht und fällte sein Urteil zugunsten der Malerei. Vor dem Hintergrund der grossen Aufmerksamkeit für die Arbeit des Künstlers ist es nur folgerichtig, dass zwei seiner bekanntesten Motive den Anfang der Schau „Das Ringen um die Wirklichkeit. Malerei und Fotografie im Dialog“ markieren. Aber es ist weder Richters Betty, die sich hier abwendet, noch steigt Ema die Treppe hinunter. Stattdessen handelt es sich um zwei Reinszenierungen. Das Schaffhauser Künstlerduo EberliMantel hat die Richterschen Bilder nachgestellt und analog fotografiert. In einem zweiten Schritt wurden die Aufnahmen digital auf «malerisch» getrimmt. Der Dialog ist also um einige Ebenen reicher: Hatte Richter mit seiner Replik auf Duchamps «Nu descendant un escalier» dessen Absage an die gegenständliche Malerei eine andere Wendung gegeben, so fügen EberliMantel dem Motiv zwei weitere Übersetzungsarten hinzu. André Bless greift ebenfalls in dieses Spiel ein und projiziert den englischen Titel von Duchamps Bild auf eine Treppe des Museum zu Allerheiligen. Langsam fliessen die Buchstaben über die Stufen nach unten und thematisieren einen neuen medialen Bruch ebenso wie die Kraft der Bilder.

Dialoge finden in dieser Ausstellung nicht nur zwischen Fotografie und Malerei als bildnerische Techniken statt, sondern auch zwischen den Bildinhalten. Einige Werke weisen starke kunsthistorische Bezüge auf, andere kommunizieren innerhalb der sinnfälligen Hängung über die Sujets miteinander. Fast alle Arbeiten sind jüngeren Datums und stammen ausnahmslos von Schaffhauser Künstlerinnen und Künstlern – die meisten sind Sammlungswerke. Einmal mehr zeigt diese Präsentation wie sich Sammlungen einerseits durch relevante thematische Fragestellungen aktivieren lassen und wie lohnenswert andererseits der Blick in die Depots ist, um daraus wiederum neue Auseinandersetzungen zu entwickeln.

Bis 5. Juni, www.allerheiligen.ch