Neue Bilder eines alten Krieges

by Kristin Schmidt

Im Hintergrund gewaltsamer Auseinandersetzungen stehen oft wirtschaftliche Interessen. Das ist heute nicht anders als vor 900 Jahren. Wael Shawky arbeitet die absurden Mechanismen des Krieges heraus. Das Kunstmuseum Bregenz zeigt den zweiten und dritten Teil seiner Trilogie „Cabaret Crusades“, gerahmt von weiteren Arbeiten.

Die Kreuzzüge ab 1095 waren nicht vor allem Befreiungskriege im Namen Gottes, sondern zielten auf die Eroberung neuer Ressourcen für ein zersplittertes Europa ab. Die arabische Sicht auf jene Ereignisse hat der in Frankreich lebende Libanese Amin Maalouf Mitte der Neunziger Jahre zusammengefasst und Wael Shawky liefert die künstlerische Umsetzung dieser Sicht. Ja mehr noch, der 1971 geborene Ägypter hebt in seiner Videotrilogie „Cabaret Crusades“ das klassische Gut-Böse-Schema auf und filtert die Intrigen heraus und den Verrat, die Manipulation der Massen, aber auch die Manipulierbarkeit der Herrschenden durch ihresgleichen. Der Künstler lässt alle – Christen, Muslime, Könige, Kalifen, Päpste – als Marionetten auftreten und nimmt damit das Manipuliertsein der Akteure wörtlich, provozierte aber auch Missverständnisse, da das Marionettentheater heute als Kindervergnügen interpretiert wird. Mit diesem haben Shawkys Inszenierungen nichts zu tun. Stattdessen nehmen sie den Bezug zum Mittelalter auch atmosphärisch auf. Gleich einer Nummernrevue werden Einzelereignisse aneinander gereiht, die Chronologie der Gewalttaten gibt das Tempo vor. Die Figuren verlieren innerhalb der drei Werkteile mehr und mehr ihre menschliche Gestalt. Verwendete Shawky im ersten Teil noch hölzerne Marionetten aus dem 18. Jahrhundert, sind es im zweiten selbstentworfene Keramikfiguren und im dritten und letzten Teil eigens angefertigte Puppen aus Murano-Glas. Sie gleichen keinem realen Wesen, sind Tier und Mensch zugleich. Wie in den mittelalterlichen Chroniken verschwinden die Unterschiede zwischen Glauben und Wissen, zwischen Wunder und Erfahrung. Im Kunsthaus Bregenz werden die transluzenten Glasgestalten im Erdgeschoss in einer eigens gestalteten Vitrine gezeigt. Der Raum ist in blaues Licht getaucht. Er stimmt ein auf die Reise durch die Zeit an Orte wie Damaskus, Aleppo oder Bagdad. Neben den Videoprojektionen in den oberen Stockwerken stehen Glasplatten mit eingravierten historischen Stadtansichten. Spiegel dahinter lösen die Konturen auf – die Wehranlagen haben nichts genützt. Die Konflikte der Gegenwart sind unvermittelt nahe. Die stimmige Inszenierung öffnet sich im lichtdurchfluteten Obergeschoss. Ein hybrides Flugzeugdracheninsekt wartet auf den Abflug – zum Kreuzzug oder zur Pilgerreise. Shawky gibt keine politischen Statements ab, er erzählt die alten Kriege neu und arbeitet heraus, was jederzeit gültig ist.