Alles in Bewegung: Charlotte Moth in Vaduz

by Kristin Schmidt

Die in Paris lebende Engländerin Charlotte Moth ist derzeit in einer grossen Einzelausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein zu sehen. Sie löst die Grenzen zwischen Materialität und Immaterialität auf. Im Zentrum steht der beständig wachsende Bilderspeicher ihres Travelogues.

Ein Vorhang verbirgt und verheisst. Er lässt sich öffnen oder soll dauerhaft abschirmen – er ist Mittel zum Zweck. Charlotte Moth (*1978) installiert im Kunstmuseum Liechtenstein einen Vorhang, der für sich selbst steht. Er ist die golden schimmernde Willkommensgeste in einer ebenso präzise wie sinnlich angelegten Ausstellung. Der Vorhang lässt sich weder öffnen, noch zuziehen. Er ist dicht gerafft, fällt in wohlabgemessenen Kaskaden auf den Boden und ist benannt nach einem Zitat Alighiero Boettis: «Hinter jeder Oberfläche befindet sich ein Geheimnis: eine Hand, die auftauchen könnte, ein Bild, das angezündet sein könnte, oder eine Struktur, die ihr Bild preisgeben könnte». Charlotte Moths Vorhang birgt selbst ein Geheimnis. Hinter dem goldenen Stoff hängt ein hellblauer Vorhang, weniger stark gerafft und bündig zum Boden. Er bringt Licht und Transzendenz ins Spiel – Motive, die sich durch das gesamte Werk der in Paris lebenden Künstlerin ziehen. Die Dinge verharren nicht in ihrer physisch abgegrenzten Gestalt. Sie nehmen Kontakt miteinander auf, setzen sich in immaterielle Bereiche hinein fort und verführen zu Bewegung oder bewegen sich selbst. Spiegel verbinden Räume und Objekte miteinander. Inszenierte Schatten lassen Bronzegüsse schwerelos werden, sie gleichen eher Filmstills als statischen Objekten. Licht moduliert einen ganzen Raum. Fotografien falten sich in den dreidimensionalen Raum auf und werden so zu Körpern. Nichts hat nur noch eine Seinsform.

Charlotte Moths Referenzsystem ist komplex. Sie bezieht sich auf das Werk des Konzeptkünstlers André Cadere, setzt sich detailliert mit Barbara Hepworths Werk und ihren Präsentationsformen auseinander und nutzt Aby Warburgs assoziative Arbeitsmethoden. Sie folgt den Spuren Raoul Hausmanns ebenso wie den Schriften des Kunstkritikers Adrian Stokes oder den Lictstudien László Moholy-Nagys. Doch all das Hintergrundwissen ist nicht zwingend erforderlich, um sich ihren Arbeiten anzunähern. Farbe, Licht und Bilder entfalten ihre Sogwirkung auch so. Beispielsweise das reiche Reservoir ihres Travelogues: Moth stellt es zu dichten Bildtafeln zusammen oder präsentiert es Modellen gleich auf eigens gefertigten Tischen. So wird es möglich, von einem zum anderen zu schweifen, im Sinne der Künstlerin immer in Bewegung zu bleiben und ständig neue Verbindungen zwischen den gezeigten Orten, Bauten und Textfragmenten zuzulassen.