Katalin Deér „Stein, 2016“ acht Postkarten

by Kristin Schmidt

Vier Brücken, vier Steine, ein Haus. Dreimal Stein und viermal Stein. Orte, Wege, Werke, Blicke. Ein Findling wie ein Kiesel. Eine Brücke wie ein Tunnel. Eine Tischplatte wie eine Fotografie. Ein Stein des Anstosses. Ein Loch. Eine Hand. Acht Fotografien, acht Postkarten für Stein. Für die Kulturlandsgemeinde bereist Katalin Deér Urbanonyme und findet Brücken, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Die längste gedeckte Holzbrücke Europas verbindet die deutsche Stadt Bad Säckingen mit der Gemeinde Stein im Aargau. Die Rheinbrücke Hemishofen in Stein am Rhein ist Ingenieursbaukunst von nationalem Rang. Die Ganggelibrugg, ebenfalls ein Objekt von nationaler Bedeutung, verbindet St. Gallen mit Stein in Appenzell Ausserrhoden und ist der höchste Fussgängersteg Europas. Brücken führen die Blicke in die Tiefe, führen sie weiter zum Durchbruch in der Natursteinwand, zum Strassendurchbruch im Bergell und von dort zur Leiter auf den Findling, von diesem zum Tisch mit geäderter Platte. Dazwischen ein Schopf im Schnee. Inzwischen ist er abgebrochen. Er war ein Fremdling im Ort, für die einen ein Schandfleck, für die anderen Architektur. Katalin Deér fotografierte ihn 2012. Sie richtet ihren Blick auf den städtischen und ländlichen Raum mit all seinen Zufälligkeiten und Banalitäten, aber auch mit seinen ästhetischen Besonderheiten. Sie richtet ihn auf das homogene Nebeneinander von Natur und Gebäude und auf Bauten, deren Form ganz ihrem Nutzen geschuldet ist. Sie nimmt Details ebenso ernst wie die Atmosphäre der Umgebung. Sie sieht hin ohne zu werten. Unter ihrem aufmerksamen, absichtslosen Blick beginnen die fotografierten Orte, Steine, Brücken zu erzählen. Immer neue Bezüge werden möglich; inhaltlich, ästhetisch, formal. „Stein, 2016“ lebt vom steten Wechsel der Perspektive. Er spiegelt sich auch in der Gestalt der Arbeit: Jede der acht Postkarten lädt dazu ein, sie aus dem ursprünglichen Kontext herauszulösen und zu versenden. So ziehen die Steine in die Welt hinaus und öffnen sich für neue Geschichten.

Text zur Kulturlandsgemeinde 2016 in Stein