Unterwegs in den Osten: Taiyo Onorato und Nico Krebs im Fotomuseum Winterthur

by Kristin Schmidt

Der Spiegel zeigt die Welt seitenverkehrt, in einem anderen Licht und ausschnitthaft. Er vermag also ebenso wenig ein objektives Abbild der Wirklichkeit zu liefern wie die Fotografie und ist darum ein schlüssiges Element in der Arbeit von Taiyo Onorato und Nico Krebs.

Ein goldglänzend verspiegeltes Oktogon besetzt den Eingang zu «Eurasia» – verstellt ihn und öffnet ihn zugleich. In den polierten Flächen spiegeln sich der Raum, die Fotoarbeiten, die Menschen. Alles wird im «Golden Tower» reflektiert, wird vervielfältigt und transformiert, aber auch fragmentiert. Mit dem Achteck gelingt Taiyo Onorato und Nico Krebs der perfekte Einstieg in ihre Ausstellung, die deutlich mehr ist als eine Fotoschau.

Das Schweizer Künstlerduo ist dem Verhältnis zwischen fotografischem Bild und Wirklichkeit ebenso auf der Spur wie den Bildern in den Köpfen und den Leerstellen im globalen Fotoalbum. Gibt es letztere überhaupt noch? Wie sieht die Welt jenseits der reproduzierten Bilder aus? Und lässt sie sich dann doch fotografisch festhalten? Für die Suche nach Antworten und getrieben von der Neugier auf visuelle Erlebnisse haben Onorato und Krebs den Weg in Richtung Osten genommen und bewusst die Oberflächenhaftung behalten. Mit dem Auto sind sie durch Länder wie Georgien, Turkmenistan, Kirgistan und Aserbaidschan gereist, haben fotografiert und gefilmt. So wie sie aber nicht einfach ihre Reise dokumentieren, sondern Blicken folgen, Bilder inszenieren und narrative Anstösse geben, so frei verwenden sie auch die Gattungen. Paarweise gehängte Fotografien lassen sich innerhalb grösserer Gruppen als Verlaufsform lesen. Ausschnitte forcieren den Sprung zum nächsten Bild. Reihungen gleichen filmischen Sequenzen. Demgegenüber liefern die in einem abgedunkelten Raum gezeigten 16mm-Filme mindestens ebenso prägnante Bilder wie sie Handlungen festhalten. Daneben expandiert die künstlerische Arbeit ein weiteres Mal in den dreidimensionalen Raum: Eine Betonskulptur mit goldfarbenen, aber zweckfreien Hochglanzmuttern spielt mit nationalen architektonischen Pathosformeln ebenso wie sie auf die allgegenwärtige Kultur der Improvisation und Wiederverwertung verweist. Das zweite Leben der Gegenstände in all seinen verschiedenen Ausprägungen interessiert Onorato und Krebs besonders. Das mag daran liegen, dass sie sich auf ihrer Reise abseits gewohnter Infrastruktur bewegten und selbst immer wieder gezwungen waren zu improvisieren. Erwünschter Nebeneffekt dabei: die Interaktion mit den Menschen. Sie sind ein grosses Thema für die beiden Künstler geworden. Ihre Präsenz, ob in persona oder in der gestalteten Welt, ist das Fundament dieser grossen Reiseerzählung.

Bis 14. Februar 2016

www.fotomuseum.ch