Grüner geht’s nicht

by Kristin Schmidt

In der Galerie Christian Röllin sind aktuelle Arbeiten von Jos van Merendonk zu sehen. Der Amsterdamer Künstler zeigt in St. Gallen die Weiterentwicklungen seines monochromen Werkes.

Wissenschafter der Universität Columbo in New York haben es herausgefunden: Grössere Auswahl bedeutet nicht grösseres Glück. Im Gegenteil: Die Ausweitung der Wahlmöglichkeiten erhöht die Chance einer Fehlentscheidung und damit die potenzielle Unzufriedenheit mit der tatsächlich getroffenen Wahl. Es ist stets zu befürchten, eine bessere Entscheidung wäre möglich gewesen.

Ein beschränktes Angebot wirkt sich demnach positiv auf das Befinden aus. Was für die Konsumwelt nur allzu offensichtlich gilt, lässt sich auch in die Kunst übertragen, zumindest, angesichts des Werkes des Jos van Merendonk. Der niederländische Künstler beschränkt sich in der Anzahl der Optionen – und gewinnt gerade dadurch umso grössere Freiheit. Immer beginnt Jos van Merendonk seine Bilder auf quadratischem Format mit einem Bleistiftraster aus gezeichneten Oval und einer Zickzacklinie von links oben nach rechts unten, und er kommt – was noch viel augenfälliger ist – stets mit ein und derselben Farbe aus: Chromoxidgrün. Und dies seit über 20 Jahren.

Wer jedoch meint, dass dies zwangsläufig in gepflegte Langeweile führe, der wird in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Christian Röllin eines Besseren belehrt. Das Werk bleibt spannend; und neue, unerwartete Entwicklungen wirken geradezu selbstverständlich.

Der erste Blickfang ist eine Serie mit ausgespartem Grundraster. Die weisse Grundierung in der offen gearbeiteten grünen Fläche verleiht dem Werk kristalline Fragilität und Strenge zugleich. Während hier Reminiszenzen an die Frühmoderne offensichtlich sind, sind bei den pastos gemalten Werken andere Akzente gesetzt. Faszinierend hier, welche Welten ein kleines Format im Vergleich zu einem riesenhaften öffnen. Das Kabinettstück erinnert in seiner Dichte an Altdorfer’sche Landschaften, das Grossformat hingegen zeigt Variationen über ein Thema: Der Farbauftrag reicht von lasiert bis aufgespachtelt, die Technik von der Abtragung bis zur Collage. Spätestens hier zeigt sich auch die ausgetüftelte Hängung in der Galerie. Vor der weiss getünchten unverputzten Wand und im Streiflicht wirkt die Struktur des Bildes noch plastischer.

Galerist und Künstler arbeiten gezielt mit der räumlichen Situation, die eben auch ganz verschiedene Wandoberflächen einschliesst – bis hin zur ungeweisselten Nische mit Oberlicht. Hier hängt eines der neuen Reliefs des Künstlers. Sie sind eine Weiterentwicklung der Gemälde, allerdings eine mit weiterem Potenzial. Der Reiz der Reliefs liegt in ihrer Konstruktion und der Materialität, die jedoch durch die vielseitige Bemalung etwas überlagert wird, hier wäre weniger mehr. Denn räumliche Tiefe allein vermag Merendonk bereits in seinen Bildern zu erzeugen, legt er doch Schichtungen übereinander oder konstruiert allein durch den Farbauftrag fensterartige Durch- oder Ausblicke.

Besonderes Augenmerk zieht das Wandgemälde mit integrierten Tafelbildern auf sich. Es ist immer bereichernd zu sehen, wie Künstler mit eigens erstellten Arbeiten auf Ausstellungssituationen reagieren. Hier oszillieren Hinter- und Vordergrund, beides ist gleich gewichtet im Wechselspiel breiter Streifen oder dynamischer Schlängellinien.

Noch sind frühere Präsentationen des Künstlers bei Christian Röllin im Gedächtnis, und es lohnt sich auch jetzt wieder hinzusehen. Dabei bleibt im Hinterkopf stets die Frage: Ist das alles nun interessant wegen der beschränkten Mittel oder trotz ihnen? Wie auch immer die Antwort ausfallen mag, Jos van Merendonk nutzt die Chance der reduzierten Auswahlmöglichkeiten im besten Sinne.