St.Gallen: Gerard Byrne

by Kristin Schmidt

Mut zur Lücke mag für die internationalen Kunstgrossanlässe ein taugliches oder auch das einzig praktikable Konzept sein. Wer jedoch eine sorgfältig kuratierte monografische Schau besucht, geht die Sache gern anders an, versucht, ein möglichst vollständiges Bild zu erlangen. Gerard Byrne (*1969) durchkreuzt solche Ambitionen, und er tut dies so systematisch, dass sich Lücke und Vollständigkeit nicht ausschliessen. Seine umfangreiche Ausstellung im Kunstmuseum St.Gallen ist vom ersten bis zum letzten der sieben Räume durchchoreografiert. Von den Fotografien, dem Licht, den Sitzgelegenheiten, bis hin zur technischen Ausstattung, den Kabeln, Kopfhörern und Monitoren ist alles präzise gesetzt, auch die Projektionswände: Sie stehen schräg im Raum, sind gegeneinander gekippt und verkantet. Sie besitzen selbst skulpturale Qualitäten und sind so mehr als nur Folie für Byrnes Reflektionen über die dreidimensionale Kunst in den 1960er Jahren. In der Fünf-Kanal-Videoarbeit „A thing is a hole in a thing it is not“ wird die Minimal Art in nachgespielten Interviews, Performances, Ausstellungsrundgängen thematisiert. Die unterschiedlichen filmischen Herangehensweisen, das Re-Enactement und die Präsenz der Projektionen vermitteln die revolutionären künstlerischen Haltungen von Judd, Flavin und Co. Alternierend zeigt Byrne auf diesen Wänden die an der dOCUMENTA 13 in einem ehemaligen Hotel ausgestellte Arbeit „A man and a woman make love“. Auch hier ergibt das Kippen der Wände Sinn, geht es doch mit Erotik und Sexualität um einen fragilen Bereich menschlichen Zusammenlebens. Byrnes inszeniert die das Gespräch vierer Surrealisten und verbirgt die Instrumente der Inszenierung nicht.

In seinen Arbeiten lässt der Künstler kulturelle Kodes ebenso aufeinandertreffen wie Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Theater. Er erzählt Geschichte und Geschichten weiter, aber er präsentiert nicht einfach einen Bilderstrom, in den sich beliebig ein- und auftauchen lässt, sondern er konstruiert eine Narration über alle Werke hinweg. Die Videofilme beginnen und enden in einem vom Künstler gesteuerten Rhythmus, nie sind alle gleichzeitig zu sehen und manche auch während eines lang andauernden Ausstellungsrundganges nicht. Darin steckt in Zeiten omnipräsenter Bilder ein gewisses Frustrationspotential, aber genau hier liegt die Herausforderung der Ausstellung: Das Bild der Welt verlangt Partizipation, verlangt aktives Denken.

Bis 13. September 2015

http://www.kunstmuseumsg.ch