Kunst – Kommerz – Krisen

by Kristin Schmidt

Der Eintritt war frei, die Gemälde und Plastiken transportabel und käuflich: In Venedig fand 1895 die allererste Kunstbiennale statt – als Benefizveranstaltung mit unverhohlen kommerziellem Hintergrund. Der blieb ihr viele Jahrzehnte erhalten; die ausgestellten Arbeiten waren zum Erwerb gedacht und somit einigermassen handlich im Format. Erst in Zeiten raumgreifender, passgenau für die Länderpavillons entworfener Installationen, kann von transportablen Werken nicht mehr die Rede sein. Und von Kommerz? Die Galerien bleiben zwar im Hintergrund, aber sie finanzieren kräftig mit. Ohne sie liefe wenig an der Biennale, nicht nur in den Länderpavillons, sondern auch in der internationalen Ausstellung. Okwui Enwezor, der diesjährige Kurator, geht offensiv mit dem Thema um. So wird in der eigens gestalteten Arena Karl Marx gelesen: „Das Kapital“, komplett, von Arbeit bis Zirkulation, von Profit bis Privateigentum. Im Herzen der Biennale also das Wort und drum herum der Puls. Enwezor, der bereits als Leiter der Documenta 11 im Jahr 2002, also unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, eine hochpolitische Ausstellung gezeigt hat, macht auch diesmal um keine der weltweiten Krisen einen Bogen. Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, prekäre Produktionsbedingungen in Fernost, Waffengewalt – alles, was brennt, wird nicht einfach künstlerisch verpackt, sondern reflektiert sowohl von etablierten als auch von unbekannten internationalen Künstlerinnen und Künstlern.

Viele der ausstellenden Länder halten es ähnlich, so richten sie den Blick auf die eigene koloniale Vergangenheit, die ökologischen Katastrophen oder die ausgebeutete indigene Bevölkerung. Klingt belehrend, ist es aber meist nicht, der Kunst sei dank. Viele der Werke entfalten eine visuelle Kraft, die noch lange im Hirn nachwirkt – erstaunlich genug angesichts der schieren Menge des Ausgestellten. Denn es geht neben den offiziellen Pavillons in eigens angemieteten Palazzi weiter, die manchmal der Kunst den Rang ablaufen, aber oft sehenswerte Aussenstationen oder in der Biennale-Sprache Eventi collaterali beherbergen. Zum Beispiel thematische Präsentationen wie jene der „Frontiers Reimagined“. Und hier plötzlich auch Schweizerisches ausserhalb des (sehr sehenswerten) Schweizer Pavillons: Sasha Huber, Mitglied in Hans Fässlers transatlantischen Komitee „Démonter Louis Agassiz“, zeigt ihre Arbeit zum Rentyhorn und somit quasi die Schwesternausstellung zu Fässlers Agassiz-Ausstellung ab August in der Kantonsschule am Burggraben.