Das Roothuus ist wieder rot

by Kristin Schmidt

Abreissen oder Erhalten? Die Frage lässt sich umso besser beantworten, wenn ein Bau mit neuen Inhalten gefüllt werden kann.

Ein stattliches Haus, ja sogar das stattlichste in Gonten, gemeinsam mit dem Gasthaus Bären – so ist es über das Roothuus vermerkt im Band 74 der Reihe «Die Kunstdenkmäler der Schweiz». Erwähnt werden dort die ursprünglich rote Bemalung, die Rokoko-Kartuschen auf den Zugläden und der Festsaal im dritten Stock mit «kräftig-derber Architekturmalerei von gedrehten Säulen, Muscheln und Phantasielandschaften in Kartuschenrahmen». Im Erscheinungsjahr des Bandes zu Appenzell Innerrhoden, 1984, war das Haus reichlich 200 Jahre alt. Substanz und Statik waren in einem guten Zustand, die Wände unverletzt und gesund. Nur die über die weiten Räume gespannten Böden waren nicht mehr stabil genug. Das Roothuus war also bei weitem nicht baufällig oder gar abbruchreif.

Inhalt und Unterhalt

Dennoch wurde der Erhalt des Hauses nicht zu allen Zeiten als selbstverständlich angesehen. Unklar waren Inhalt und Unterhalt. Die appenzellische Volksmusik erwies sich schliesslich als adäquates Thema. Josef Manser, späterer Geschäftsführer des Zentrums für Appenzellische Volksmusik, hatte die Idee einer Stiftung ausgearbeitet und sie wurde in der Musikszene eifrig diskutiert. Die Stiftung kaufte 2003 schliesslich das Roothuus und im April 2006 war es soweit: Es wurde mit der Restaurierung begonnen. Die Arbeit leitete der Herisauer Architekt Paul Knill. Sein Grundprinzip bei der Arbeit war es, sich in den vorhandenen Räumen einzurichten: «Wir haben das Angebot der Räume mit ihrem möglichen Zweck abgeglichen. Wie sich ein Handschuh über eine Hand streift, legt sich die Nutzung über das Gebäude». So besteht nun die grösstmögliche Übereinstimmung von Haus und Inhalt. Als Holzhaus gibt es ohnehin einen ausgezeichneten Klangkörper ab und der Steinsockel ist nun auch der Sockel der Tätigkeit des Zentrums: Hier befindet sich das Archiv.

Nur ein grosser Eingriff

Der einzige grössere Eingriff während der Restaurierung war durch die öffentliche Nutzung bedingt: Ein Treppenhaus erschliesst den Festsaal. Das war nicht immer so: Noch in den 1980er Jahren lehnte die damalige Bewohnerin des Hauses aus der Familie Broger eine Vermietung des Saales für spezielle Anlässe ab, da nicht nur das Abort- und Heizungsproblem ungelöst war, sondern „s Hennelääteli dööruuf“ in den Festsaal zu gefährlich sei. Jetzt bietet der Einbau einer Kaskadentreppe sowohl Brandschutz als auch Fluchtmöglichkeiten. Auffällig ist das verwendete Material: Die Brandschutzplatten sind mit Holzfaserplatten belegt. Sie kontrastieren weniger als die feuersicheren Gipsplatten mit dem Holz des Hauses und heben sich doch als deutliches Zeichen der Restaurierung von ihm ab.

Paul Knill vergleicht die Arbeiten am Roothuus mit dem Führen eines Gesprächs, dem Schreiben eines Textes, dem Komponieren von Musik: «Wort für Wort, Satz für Satz; oder Note für Note wurde beim Umbau des Roothuus Element zu Element geführt. Dabei schuf jedes dazu gekommene eine immer wieder veränderte Situation, anhand der die weiteren Schritte neu abgewogen wurden.»

Das Gesicht des Hauses

Die prozesshafte Arbeitsweise hat ermöglicht, laufend Erkenntnisse zu berücksichtigen. Während der Restaurierung wurde zudem das Alter des Hauses bestimmt. Die Zählung der Jahresringe des verwendeten Holzes ergab, dass das gesamte Holz für das Roothuus Gonten im Jahre 1762 geschlagen worden war. Die Datierung deckt sich auch mit der Jahreszahl über dem Türsturz zur Dachkammer (1764); die Malereien im Festsaal sind mit 1765 datiert. Im Giebeldreieck der Aussenfassade findet sich die Jahreszahl 1778.

Die Fassade war seit über 125 Jahren nicht mehr rot, obwohl die Farbe immer namensgebend blieb. Die vorstehenden Pfetten und Strickköpfe waren fassadenbündig abgesägt worden und die Front mit einem flächig ausgeführten Täfer verkleidet. In die dreieckigen Felder zwischen Täferfassade und Dach waren ohne Rücksicht auf die barocken Bilder Fenstersegmente eingesägt worden. Nach der Restaurierung sind die Fenster die alten, aber neuer Täfer variiert in Tiefe und Gestalt. Nun fangen sich in der Fassade wieder Licht und Schatten. Und die Fehlstellen in der Malerei wurden ergänzt, was zwar nicht der gängigen denkmalpflegerischen Praxis entspricht, dem Roothuus aber wieder ein Gesicht verleiht.

Aber wie konnte nun das Problem der schwachen Böden gelöst werden? Durch eine Erfindung: Gemeinsam mit Holzbauingenieur Hermann Blumer wurde ein Balken mit eingeleimtem, schmalen Stahlband entwickelt. Dieser extrem flache Träger sorgt dafür, dass der Boden im Festsaal nicht allzu stark schwingt und gleichzeitig die Höhen in den Räumen erhalten bleiben.

Das stattliche Roothuus hat seine Gestalt zurückerhalten. Sein schöner Name war daran sicher auch ein wenig beteiligt.

Obacht Kultur, Nr. 20, Heft 3/2014