Die Welt in Bildern

by Kristin Schmidt

In einer Doppelausstellung werden im Kunstraum Kreuzlingen & Tiefparterre Werke von Stefan Baltensperger sowie von Muda Mathis und Sus Zwick gezeigt. Obgleich unabhängig voneinander präsentiert, beschäftigen sich doch drei alle mit globalen Themen.

Die Welt ist gross – niemand hat sie vollständig bereist. Ein Bild, auch von den unzähligen, nicht selbst bereisten Gegenden, machen sich die Menschen trotzdem. Sie machen es sich mithilfe mobiler Bilder. Das waren früher Zeichnungen, Drucke oder Skizzen und später analoge Fotografien, in grundsätzlich beschränkter Menge. Im digitalen Zeitalter ist die Bilderflut hingegen unendlich geworden. Macht dies unser Bild von der Welt aussagekräftiger? Besser? Wahrer? Stefan Baltensperger gibt darauf keine Antworten, aber im Kunstraum Kreuzlingen visualisiert er das Problem der Verfügbarkeit von Bildern, die herausgelöst von ihrem Kontext konsumiert werden. Der Zürcher Künstler verknüpft acht Flachbildschirme mit dem Materialausstoss internationaler Nachrichtenagenturen: So ist in Weltkartenumrissen alles und nichts zu sehen. Die schiere Fülle der Bilder ist nicht zu bewältigen, geschweige denn fördert sie das Verständnis für die Probleme anderswo.

Daneben präsentiert Baltensperger eine Installation aus achtzehn weissen Hochglanzkoffern, wie sie eigentlich für den Transport von Musikinstrumenten angefertigt werden. In Kreuzlingen gleicht die Form der Etuis jedoch nicht einem Cello, sondern einem Menschen. Schon Man Ray hatte mit «Le Violon d’Ingres » diese formale Verwandtschaft betont. Bei Baltensperger geht es aber weniger um ästhetische und kunsthistorische Anspielungen als vielmehr harte Realität. Die Koffer sind geformt wie Menschen in kauernder Position, schicksalsergeben oder gar exekutionsbereit – nicht nur durch den Tragegriff zum Objekt mutiert. Baltensperger ist damit sehr nah an aktuellen politischen Geschehnissen. Muda Mathis und Sus Zwick sind dies nicht minder, aber vielschichtiger und hintergründiger. Die beiden Künstlerinnen reisten mit einer ukrainischen Freundin nach Russland und in die Ukraine, um deren multikultureller Familiengeschichte zu folgen. Die dabei entstandenen Foto- und Filmaufnahmen fügten sie zu einer Zwei-Kanal-Videoinstallation mit Liedern, Beobachtungen, Fragen, Erzählungen. Damit ist sie ebensosehr Roadmovie wie Episodenfilm, Musikvideo und Dokumentation, basiert auf Montagen und Collagen. Immer wieder werden die Bilder beispielsweise gespiegelt, so dass sie einerseits auf sich selbst verweisen und andererseits auseinander streben in eine unfassbare Weite. Mathis und Zwick bedecken eine Russlandkarte mit Lebensmitteln und finden damit einen sinnlichen Ausdruck für Migrationserfahrungen. Sie fragen danach, was Familie ist und was sie bedeutet und lenken den Blick immer wieder besonders auf die Frauen im „männlichen Russland“, wie es in einem der Songs mit Ohrwurmpotential heisst. «Olga und Olga und die koreanische Grossmutter» ist Einzelschicksalen auf der Spur und taugt aber gerade deshalb dazu, die vielschichtigen Folgen zu zeigen, die erzwungene Identitätswechsel, abgeschnittene Verbindungen und soziale Verwerfungen als Resultat einer menschenfremden Politik mit sich bringen.